Nächste Premiere im Opernhaus

Verworrene Handlung, extreme Emotionen: Warum Verdis "Troubadour" der Prototyp einer Oper ist

11.11.2021, 05:59 Uhr
Mit einem Kasperltheater will Peter Konwitschny im "Troubadour" Distanz zwischen den Figuren und ihren Leidenschaften schaffen.

© Bettina Stoess Mit einem Kasperltheater will Peter Konwitschny im "Troubadour" Distanz zwischen den Figuren und ihren Leidenschaften schaffen.

„Der Troubadour“, das bedeutet maximalen Aufruhr. Nicht nur in Giuseppe Verdis Oper aus dem Jahr 1853 selbst, die im schlechten Ruf steht, eine der unglaubwürdigsten Geschichten ihrer Gattung zu erzählen. Sondern auch im Nürnberger Opernhaus.

Zumindest seit 1974, als Hans Neuenfels (Jahrgang 1941) hier sein Debüt als Opernregisseur gab und die Verkrustungen der Rezeptionsgeschichte dieses Werks mit dem Vorschlaghammer wegklopfte. Damals fast ein Skandal, immerhin aber mit prophetischem Charakter.

Das Feuer der Leidenschaft lodert in Peter Konwitschnys Inszenierung von Verdis "Troubadour".

Das Feuer der Leidenschaft lodert in Peter Konwitschnys Inszenierung von Verdis "Troubadour". © Foto: Bettina Stoess

Denn Neuenfels wurde zu einem der Großmeister des Regietheaters, der den größten Aufruhr seiner Laufbahn auslöste, als er 2006 in Mozarts „Idomeneo“ an der Deutschen Oper Berlin allen Gottheiten und Propheten den Kopf abschlagen ließ – Mohammed inklusive. Polizeischutz und vorübergehende Absetzung der Aufführung waren die Folge.

In Nürnberg inszeniert nun Peter Konwitschny (Jahrgang 1945) den „Troubadour“, ein Generationskollege von Neuenfels und ebenfalls eine Säule des Regietheaters. Unter Staatsintendant Peter Theiler arbeitete er öfters am Haus, zuletzt 2018 kurz vor dessen Abschied führte er Regie bei Bernd Alois Zimmermanns monumentalem Werk „Die Soldaten“.

Was aber erzählt der „Troubadour“? Vordergründig geht es um einen Krieg im mittelalterlichen Spanien, um eine Zigeunerin, die an der Wiege des Kindes eines Grafen aufgegriffen wird. Als das Kind fiebert, gibt man der Zigeunerin die Schuld und verbrennt sie. Ihre Tochter Azucena will Rache nehmen und das Grafen-Kind verbrennen, wirft aber angeblich „aus Versehen“ ihr eigenes Kind ins Feuer und zieht stattdessen das Kind des Grafen groß.

Dieses wird zum Troubadour Manrico. Der fühlt sich durch und durch als Zigeuner und begehrt eine schöne Hofdame namens Leonora und steht damit in Konkurrenz zum jungen Grafen Luna, der eigentlich sein Halbbruder ist, was aber keiner von beiden weiß. Leonora liebt nur den Troubadour und nicht den Grafen, der wirft seinen Konkurrenten schließlich in den Kerker, wo sich Manrico von seiner Geliebten Leonora verraten fühlt.

Auch schrille Kostüme bietet die Peter Konwitschnys Inszenierung von Verdis "Troubadour".

Auch schrille Kostüme bietet die Peter Konwitschnys Inszenierung von Verdis "Troubadour". © Foto: Bettina Stoess

Diese will sich einer Zwangsehe mit dem Grafen entziehen, nimmt Gift, stirbt in Manricos Armen, weshalb der Graf den Troubadour hinrichten lässt. Als das vollzogen ist, verrät Azucena dem Grafen, dass er eben seinen Halbbruder getötet hat. Der Graf wird verrückt.

Oder so ähnlich. Entscheidend ist sowieso nicht die Handlung, die auf einem Schauspiel von Antonio Garcia Gutierrez beruht. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass Verdi daraus ein Werk mit hochemotionalen Konfliktszenen zwischen Liebestollheit, Eifersucht, Hass, Wahnvorstellungen und Kindesmord schafft. Er destilliert aus einer etwas wirren und unglaubwürdig wirkenden Geschichte den puren dramatischen und musikalischen Treibstoff der Gattung Oper.

Vier Akte hat der "Troubadour", vier Hauptfiguren hat das Werk, die Verdi allesamt zu Prototypen ihres Stimmfachs gemacht hat. Jeder der Akte erzählt eine andere Version und andere Aspekte der tiefschwarzen Geschichte (immer wieder lauten die Szenenanweisungen „Nacht“ und „tiefste Nacht“), doch sie lassen sich allesamt nicht zur Deckung bringen.

Luna und Manrico sind Todfeinde, obwohl sie unwissentlich Halbbrüder sind. Wären sie das auch, wenn sie das wüssten? Man könnte in dem Stoff auch die humane Botschaft lesen, dass selbst verfeindete Menschen am Ende eine gemeinsame Abstammung haben. Viel dominanter aber ist in diesem Werk die von Gewalt und Hass geprägte Gesellschaft, in der die Figuren ihr Leben meistern müssen und die sie in extremste Leidenschaften treibt.

Extreme Emotionen binden die Figuren von Verdis "Troubadour" aneinander.

Extreme Emotionen binden die Figuren von Verdis "Troubadour" aneinander. © Foto: Bettina Stoess

Laut Dramaturg Georg Holzer, der die Nürnberger Inszenierung betreut, will Peter Konwitschny als Regiekniff mithilfe eines Kasperltheaters eine „gewisse Distanz“ zwischen Puppen und den vier Hauptakteuren schaffen.

Doch diese soll nicht lange vorhalten, und im zweiten Teil der Aufführung sind die Puppen von der Bühne verschwunden. Auf eine Pause wird in Nürnberg verzichtet, das soll die Intensität der Oper nochmals erhöhen.

Es singen Emily Newton (Leonora), Sangmin Lee (Luna), Dalia Schaechter (Azucena) und Angelos Samartzis (Manrico). GMD-Stellvertreter Lutz de Veer dirigiert die Staatsphilharmonie Nürnberg, Premiere ist am Samstag, 13. November, 19.30 Uhr im Opernhaus.

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