Bundestagswahl

Wahlprogramme der Parteien: Wer setzt sich für die Kultur ein?

6.9.2021, 06:00 Uhr
Straßenkunst vor dem Reichstag, dem Sitz des Deutschen Bundestags, der am 26. September neu gewählt wird.

© imago images/Hohlfeld, NN Straßenkunst vor dem Reichstag, dem Sitz des Deutschen Bundestags, der am 26. September neu gewählt wird.

Kulturförderung

Neue Fonds, die aufgelegt, und Budgets, die erhöht werden: Das sind Mittel, die Parteien für eine künftige Kulturförderung vorschlagen. Zahlen werden aber nicht genannt. Die SPD betont, dass die Kommunen dauerhaft in der Lage sein müssen, Kunst und Kultur finanziell aus eigener Kraft zu fördern. Sie will den Bundeskulturfonds ausbauen, speziell die Filmförderung verbessern. Games, so betont sie, seien Kulturgut, das deutlich mehr als bisher gefördert werden müsse.

Die FDP tritt für einen höheren Bundeshaushalt für die nationale und internationale Kulturförderung ein. Außerdem fordert sie für den Ankauf wichtiger Kunstwerke durch die öffentliche Hand einen Ankaufsfonds. Die Union will die Film-, Musik-, Literatur-, Verlags- und Games-Förderung fortsetzen und betont, dass sie für "die Pflege und den Erhalt alter Bräuche, Trachten und Volkstänze sowie heimatlichen Liedguts" stehe. Insbesondere werde sie Laien- und Amateurmusik sowie freie Ensembles unterstützen.

Die Grünen wollen mehr Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung und Abriss einrichten. Er soll Kulturorte wie etwa Clubs langfristig absichern. Bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen brauche es eine gleiche Wertschätzung für die freie Szene und institutionell geförderte Kultureinrichtungen.

Die Linkspartei versteht Kulturförderung auch als Infrastrukturförderung für Stadt und Land. Zur Finanzierung von dauerhaften kulturellen Förderprogrammen will sie eine Vermögenssteuer einführen. Die Bundeskulturförderung müsse "nachhaltiger, unbürokratischer, autonomer und weniger projektorientiert" werden. Drei Prozent der Kosten öffentlicher Bauten sollen nach Meinung der Linken verpflichtend für Kunstwerke ausgegeben werden.

Im Programm der AfD, das unter der Prämisse der "deutschen Leitkultur" steht, wird zum Thema nur so viel vermerkt: "Die Förderung von Kultureinrichtungen muss transparent sein. Die staatliche Kulturförderung darf nicht dazu missbraucht werden, die politische Willensbildung zu beeinflussen." Die AfD bekennt sich zur Kulturhoheit der Länder und will die kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes begrenzen.

Zugang zu Kulturangeboten

Soll und kann es "Kultur für alle" geben? Und wenn ja, wie? Die SPD will "allen den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, unabhängig von Herkunft, Bildung, sozialer Lage und finanziellen Mitteln". Die Grünen werden konkreter und fordern kostenlosen Eintritt für Schülerinnen und Schüler in staatlichen Museen und die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken.

Damit liegen sie auf einer Welle mit den Linken, die zudem fordern, dass das kulturpädagogische Personal in vom Bund geförderten Museen aufgestockt werden muss. Für CDU/CSU gehören "kulturelle Bildung und eine lebendige kulturelle Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge in den Alltag aller Bürgerinnen und Bürger". Die FDP will zehn Prozent des jährlichen Budgets öffentlicher und öffentlich geförderter Kulturorganisationen in kulturelle Bildung investieren.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR), der zuletzt durch die Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags und fällige Reformen in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wurde, ist zwar Sache der Länder, dennoch ein Thema in allen Wahlprogrammen. Es gibt zwei Lager: Parteien, die einen starken ÖRR wollen, und diejenigen, die ihn verschlanken wollen. Dazu gehört die FDP. Der ÖRR soll sich ihrem Willen nach künftig auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentrieren. So soll der Rundfunkbeitrag sinken. Die FDP will die Zahl der TV- und Hörfunkkanäle, die von den Rundfunkanstalten betrieben werden, reduzieren.

Die AfD geht noch deutlich weiter: Auf ein Zehntel seines bisherigen Umfangs möchte sie den ÖRR eindampfen. Rundfunkbeitrag und Werbung sollen abgeschafft werden. Ein "Grundfunk" habe nur noch die Aufgabe, die Bürger flächendeckend mit "neutralen Inhalten" aus den Bereichen Information, Kultur und Bildung zu versorgen. Wichtig blieben regionale Inhalte. Die AfD spricht von einem "schlanken Heimatfunk", der sich durch eine Abgabe von Technologiekonzernen und Video-Streaming-Diensten finanzieren soll.
Zu einem im Grundsatz starken, unabhängigen ÖRR bekennen sich dagegen CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke. "Gerade jetzt braucht es öffentlich-rechtliche Angebote, die eine umfassende und tiefgreifende journalistische Berichterstattung sicherstellen", heißt es von der SPD, die die Länder darin unterstützen möchte, "den Auftrag in einer digitalen Medienwelt weiter zu entwickeln".

Die Union fordert eine Reform, "die dem technischen Fortschritt und dem veränderten Nutzungsverhalten" Rechnung trägt. Sie wünscht sich, dass Rundfunkanstalten stärkere Kooperationen eingehen und weitere Synergien schaffen – "auch im Sinne der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler".

Bündnis 90/Die Grünen betonen, dass die Finanzierung weiterhin durch Beiträge und nicht durch Steuern erfolgen soll. Aber: "Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen finanziert wird, muss er auch alle erreichen", sagen die Grünen und sehen da Reformbedarf. Die bisherigen Angebote müssten überprüft, die Digitalisierung vorangetrieben werden. Die Rundfunkräte müssen aus Sicht der Grünen die Vielfalt unserer Gesellschaft besser abbilden, "durchsetzungsstärker sowie sender- und staatsferner" werden. Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen wollen die Grünen – bei angemessener Vergütung der Urheber – dauerhaft zugänglich machen und auf einer gemeinsamen Plattform europäisch verzahnen.

Die Linkspartei will den ÖRR in seiner Programmautonomie schützen, eine "aufgabengerechte Finanzierung" gewährleisten und das Angebot sogar ausbauen – mit Regionalprogrammen einer neuen ARD-Gemeinschaftseinrichtung vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Befreiungen von Beitragszahlern will die Linke ausweiten auf soziale Einrichtungen und Menschen mit Behinderung.

Absicherung Kulturschaffender

Vor allem die soloselbstständigen Kulturschaffenden haben in der Corona-Pandemie gelitten. SPD, Grüne, Linke und die Union nennen mehrere Ideen für ihre künftig bessere soziale Absicherung, die FDP vereinzelte. Die AfD geht auf das Thema in ihrem Wahlprogramm zur Kultur nicht gesondert ein.

Die Union will das Corona-Programm "Neustart Kultur" fortsetzen und die Künstlersozialversicherung (KSV) stärken. Eine Reform der KSV fordern auch SPD, Grüne, FDP und Linke. Die Union will Kreative zudem besser absichern, indem sie den Schutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei selbstständiger nicht-künstlerischer Nebentätigkeit dauerhaft ausbaut. Zudem werde sie prüfen, wie die Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte in der Kulturbranche weiterentwickelt werden kann.

Die Grünen wollen Soloselbstständige und Kulturschaffende für die Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1200 Euro im Monat absichern. Das fordert auch die Linke – und zwar rückwirkend ab März 2020. Die SPD will Mindestgagen für freischaffende Künstler fest etablieren, die FDP Förderprogramme auch für Solo-Selbstständige öffnen und Förderanträge vereinfachen. Ähnlich wie die SPD will die Linke rechtlich abgesicherte Ausstellungsvergütung für Bildende Künstler, dazu verbindliche Mindeststandards der Honorierung in der freien Kunst- und Kulturarbeit sowie branchenspezifische Honoraruntergrenzen.

Auswärtige Kulturpolitik

Die FDP äußert sich zu dem Thema am ausführlichsten. Sie will die auswärtige Kulturpolitik stärken, die Arbeit von Organisationen wie dem Goethe-Institut ausbauen. Der Europäische Auswärtige Dienst solle eine Arbeitseinheit für Kulturbeziehungen einrichten. Die FDP fordert die Gründung eines EU-weiten Kulturfonds zum Schutz des Europäischen Kulturerbes.

CDU/CSU wollen die Deutsche Welle zum stärksten Auslandssender Europas aufbauen. Der Schutz von Künstlerinnen und Künstlern, die im Ausland verfolgt werden und in Deutschland Exil suchen, sei außerdem ein wichtiges Anliegen. Die AfD will deutsche Kultur und Sprache im Ausland stärker fördern. Die deutschen Auslandssender und die Goethe-Institute sollen, so die AfD, "ein positives Bild Deutschlands in der Welt vermitteln".

Die Linkspartei fordert einen Bundeskulturminister mit Kabinettsrang und ein Kulturministerium, das die Belange der Kultur gegenüber anderen Ressorts aufwertet. Aber nicht nur dort, sondern auch auf europäischer Ebene.

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