Brisanter Antrag

Warum sich die Krise beim Roten Kreuz in Franken jetzt zuspitzt

18.9.2021, 06:00 Uhr
Ein Rettungswagen des Roten Kreuzes ist zu einem Einsatz unterwegs. An der Spitze des Wohlfahrtsverbandes in der Region gibt es ein Hauen und Stechen. 

© imago images / Ralph Peters, NN Ein Rettungswagen des Roten Kreuzes ist zu einem Einsatz unterwegs. An der Spitze des Wohlfahrtsverbandes in der Region gibt es ein Hauen und Stechen. 

Die schwere Führungskrise beim Bezirksverband Ober- und Mittelfranken des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), die mittlerweile auch die Justiz beschäftigt, spitzt sich nun zu. Sie kreist um den umstrittenen Geschäftsführer Gernot Jungbauer, der seinen Posten zum Ende des Jahres eigentlich räumen, jetzt aber wieder in sein Amt gehievt werden soll. Mit Spannung wird die Bezirksdelegiertenversammlung mit Vertretern der Rot-Kreuz Basis in einer Woche in Bamberg erwartet.

Das anhaltende Zerwürfnis mit einer tiefen Spaltung des Bezirksvorstands in Jungbauer-Unterstützer und -Gegner schwelt seit Jahren. Es gipfelte kürzlich im Rücktritt des langjährigen BRK-Bezirksvorsitzenden Wolfgang Plattmeier, den Altbürgermeister von Hersbruck. Er gilt als Jungbauer-Anhänger und gab genervt auf. Seine Funktion nimmt bis zu den Neuwahlen in einer Woche Plattmeiers Stellvertreterin wahr, die Fürther CSU-Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger.

Schlichtungsversuche scheiterten

Der Konflikt schwelt seit Jahren. Mehrere Versuche, den Streit zu beenden, an denen die BRK-Spitze bis hinauf zu Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk beteiligt war, scheiterten. Die Unzufriedenheit mit der Arbeit von Gernot Jungbauer, seit 2014 im Amt, eskalierte zusehends bis zur völligen Unversöhnlichkeit.

Schon 2017 hatte eine Mehrheit der 16 Kreisgeschäftsführerinnen und -geschäftsführer gegenüber Plattmeier in einem dreiseitigen Schreiben ihren Unmut über die Arbeitsweise Jungbauers zum Ausdruck gebracht. Es gebe "keine sachliche und persönliche Basis mehr für die Fortsetzung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit" hieß es bereits da.

Ihm, Jungbauer, fehle nahezu jedes Verständnis für die Bedürfnisse der Kreisverbände. Unter ihm sei die Bezirksgeschäftsstelle in Nürnberg im Zustand einer "schwerfällig bis bewegungsunfähig agierenden 'Behörde'" verharrt. In der Arbeit nach innen lasse er "elementar vorauszusetzende Fähigkeiten und Kompetenzen" vermissen.

Hang zu teuren Autos

Anstoß wird schon in diesem Schreiben auch am persönlichen Auftreten des Bezirksgeschäftsführers genommen. Die Rede ist von "peinlichen Auftritten in sozialen Netzwerken", Hauptkritikpunkt sei sein persönlicher Hang Jungbauers zu einem aufwändigen Lebensstil. Als Führungskraft eines Wohlfahrtsverbandes, der einen Teil seiner Mittel an Haustüren erbitte, sei dessen Affinität zu hoch- und höchstpreisigen Autos, die er für den Verband organisierte, "aus gesamtverbandlicher Sicht nicht akzeptabel".

Gestern nahm Jungbauer erstmals selbst gegenüber den Nürnberger Nachrichten zu den Auseinandersetzungen Stellung. Er nennt darin "unterschiedliche Erwartungshaltungen gepaart mit unklaren Verantwortlichkeiten und heterogenen Strukturen" als Ursache für den jahrelangen Streit. So könne der Bezirksvorsitzende beispielsweise die Kreisgeschäftsführer nicht anweisen, wieder mit dem Bezirksgeschäftsführer zusammenzuarbeiten.


Was macht die Arbeit in den Hilfsorganisationen aus?


Zum Verhängnis Gernot Jungbauers wurde schließlich ein fragwürdiges Beschäftigungsverhältnis unter seiner Ägide. Der Bezirksverband habe, so der Vorwurf seiner internen Gegner, einem Kollegen eine geringfügige Beschäftigung besorgt, obwohl dieser bereits in Altersteilzeit war. Das ist unzulässig. Im Arbeitsvertrag sei deshalb der Name eines Verwandten jenes Mitarbeiters angegeben worden. Über den sei dann das Lohnkonto gelaufen.

Durchsuchung in der Zentrale

Es liegt inzwischen eine Anzeige wegen Betrugs vor. Die Polizei hat nach Auskunft der Justiz in dieser Angelegenheit die Landesgeschäftsstelle in München - dort ist die Revisionsabteilung angesiedelt - durchsucht. Die Rede ist auch von Vernehmungen aktiver und früherer BRK-Mitarbeiter.

Auch dazu äußerte sich Gernot Jungbauer gestern erstmals. Er sei an der Anbahnung, dem Abschluss oder der Abwicklung dieses Beschäftigungsverhältnissen nicht beteiligt gewesen. Von den "rechtswidrigen Einzelheiten" habe er erst nachträglich erfahren. Es sei "von Beginn an rechtlich unzulässig" gewesen. Ihm sei durch die Vorstandschaft deshalb auch eine einfache Missbilligung ausgesprochen worden, "das heißt die arbeitsrechtlich denkbar mildeste Maßnahme".


BRK im Katastrophengebiet


Gleichwohl war dieses strittige Arbeitsverhältnis schließlich für den Bezirksvorstand Grund genug, das Beschäftigungsverhältnis mit Gernot Jungbauer einvernehmlich, wie es heißt, zu beenden. Vereinbart wurde zudem eine Abfindung. Jetzt liegt allerdings ein Antrag an den BRK-Bezirksvorstand vor, den geschlossenen Aufhebungsvertrag wieder zu kassieren. Die Freistellung solle damit gegenstandslos sein.

Antrag aus dem Jungbauer-Lager

Gestellt hat den Antrag Thomas Wolf. Er ist als Chef des Jungendrotkreuzes selbst Vorstandsmitglied, Vorsitzender des Bezirksausschusses und wird dem Jungbauer Lager zugeordnet. Wolf begründet seinen Schritt in dem Antrag damit, dass Jungbauer im oberbayerischen BRK-Kreisverband Weilheim-Schongau weiterbeschäftigt werden sollte.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Jungbauer, hätten die Oberbayern aber wieder einen Rückzieher gemacht. Jungbauer sei das Opfer einer Diffamierung und Rufschädigung. Der umstrittene BRK-Spitzenmann liegt mit den Oberbayern derzeit in einem Kündigungsrechtsstreit beim Arbeitsgericht München.


Corona-Impfdrängler: BRK schaut mit neuer Führung nach vorn


Nach Auskunft von Petra Guttenberger findet am Mittwoch noch einmal eine Sondersitzung des Bezirksvorstandes statt, also kurz vor der Delegiertenversammlung mit Neuwahlen. "Das war der Wunsch der Mehrheit." Dabei soll auch der Antrag von Thomas Wolf behandelt werden. Der amtierende Vorstand gilt mehrheitlich als wohlwollend gesonnen gegenüber Jungbauer.

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