Wenn Kinder die Eltern verstoßen

16.1.2011, 13:00 Uhr
Über den Generationenkonflikt in der Pubertät geht es weit hinaus, wenn Kinder die Eltern verstoßen.

© dpa Über den Generationenkonflikt in der Pubertät geht es weit hinaus, wenn Kinder die Eltern verstoßen.

Die Fälle sind so vielfältig, wie sie den Eltern rätselhaft erscheinen: Das eigene Kind — meist handelt es sich um Kinder, die erwachsen sind — will keinen Kontakt mehr. Jedes Gespräch wird verweigert, kommentarlos und ohne Angabe eines Grunds. Manche Kinder drohen ihren Eltern sogar mit juristischen Schritten, um durchzusetzen, dass sogar der Versuch der Kontaktaufnahme unterbleibt.

Warum nur? „Die betroffenen Eltern rätseln alle, warum“, sagt Robert K. (Name geändert). Der 67-Jährige, der die Selbsthilfegruppe in Nürnberg gegründet hat, betont, dass es hier nicht um „normale Abnabelungsprozesse“ gehe — schließlich handele es sich oft um Erwachsene, die schon verheiratet sind, plötzlich aber keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern wünschten. Ebenso wenig geht es um Fälle, in denen es Missbrauch gab. Diese „Gründe“, heißt es, kämen also nicht infrage. Tatsächlich herrsche bei betroffenen Eltern Ratlosigkeit vor, weshalb das eigene Kind den Bruch herbeiführte. Auch Robert K. kann nur spekulieren: War er als Vater zu streng? Haben die eigenen Kinder die Trennung von seiner Frau nicht verkraftet? Hat er auf den neuen Lebenspartner seiner jüngeren Tochter nicht so reagiert, wie sie es sich gewünscht hätte? Er weiß es nicht. Zumal das letzte Gespräch mit ihr keineswegs im Streit endete.

Viele Spekulationen

Dann aber: Seine Tochter lud ihn nicht zu ihrer Hochzeit ein, reagierte auch nicht, als er im Krankenhaus lag und beinahe gestorben wäre — das traf ihn sehr. Nun fällt es ihm schwer, den ersten Schritt zu tun. Er fürchtet, sie könnte ihn zurückstoßen. Von der Selbsthilfegruppe erhofft er sich Unterstützung, um einen Weg zu finden, den Kontakt zu seinen Kindern wiederherzustellen.

Sein Fall repräsentiert eine Seite. Die andere: Ein Nürnberger Ehepaar, das nicht allzu weit entfernt wohnt vom eigenen Kind, mittlerweile aber ignoriert wird, wenn es ihm auf der Straße begegnet. Was den Bruch herbeiführte, kann sich das Ehepaar nicht erklären.

Natürlich beginnen Eltern in so einer Situation, zu spekulieren: Gab es in der Vergangenheit etwas, das nun im eigenen Kind „hochkommt“? Einen Streit? Konflikt? Gibt es einen neuen Partner im Leben des Kindes, der einen destruktiven Einfluss ausübt? Ist der eigene Nachwuchs gar einer Sekte verfallen?

Äußerst belastend

Viele Fragen, keine Antworten. Weil „so eine Situation für Eltern äußerst belastend“ sein kann, bietet die Selbsthilfegruppe die Möglichkeit, sich auszutauschen. Vielleicht findet man sogar eine Möglichkeit, die belastende Situation zu verändern. Die Nürnberger Selbsthilfegruppe trifft sich am zweiten Montag eines Monats (das nächste Mal am 14. Februar) ab 18 Uhr in den Räumen der KISS (Kontakt- und Informationsstelle Selbsthilfegruppen, Plärrer 15).

Wie viele Eltern betroffen sind? Dazu gibt es keine offiziellen Zahlen. Selbsthilfegruppen von „verlassenen Eltern“ gibt es im deutschsprachigen Raum mittlerweile jedoch in rund 20 Städten.

Kontakt zur Nürnberger Selbsthilfegruppe per E-Mail: nuernberg@verlassene-eltern.de

Weitere Informationen: www.verlassene-eltern.de