Krise der Schweinehalter

Aiwanger schlägt Alarm: Fränkische Bratwurst bald aus Brasilien?

21.9.2021, 11:26 Uhr
Deutsche Schweinehalter klagen über zu hohe Erzeugerpreise. Die Tierhaltung könne so bald unlukrativ werden, Fleisch etwa für Bratwürste müsste importiert werden. 

© dpa Deutsche Schweinehalter klagen über zu hohe Erzeugerpreise. Die Tierhaltung könne so bald unlukrativ werden, Fleisch etwa für Bratwürste müsste importiert werden. 

"Wir haben eine Krise, wie wir sie bis dato noch nicht gekannt haben", sagte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sieht die Existenz der bayerischen Schweinehaltung in Gefahr. Ein Hauptgrund ist das derzeitige Tief der Erzeugerpreise, die die Landwirte von den Abnehmern im Lebensmitteleinzelhandel bekommen. "Es ist eine Krise von zwei Seiten: bei den Preisen und den Kosten. Das trifft unsere Schweinehalter dramatisch."

Zuvor hatte Aiwanger gewarnt: "Es wäre fatal, wenn es bereits in wenigen Jahren keinen Schweinebraten und Bratwürstchen mehr aus bayerischer Produktion gäbe, sondern aus China, Brasilien und den USA, über Großschlächtereien und Wurstfabriken außerhalb unserer Kontrollmöglichkeiten." Wenn heute kurzfristig nur auf billig geschaut werde, "wird das am Ende verdammt teuer für uns." Vergangene Woche hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ihre Besorgnis erklärt.

Thomas Förster, der unter anderem das Nürnberger Bratwurst Röslein betreibt, teilt die Befürchtung nicht. Er beziehe das Fleisch für Schäufele, Bratwurst & Co. ausschließlich von regionalen Erzeugergemeinschaften - dafür müsse er im Einkauf mehr zahlen, ja. Aber seiner Erfahrung nach seien die Kunden sehr wohl bereit, für besagte Regionalität ebenfalls höhere Preise auf der Speisekarte zu akzeptieren.

"Meine Meinung ist, dass wir lieber nur ein- bis zweimal die Woche Fleisch essen sollten, dafür aber hochwertiges aus der Region", so Förster. Da sich das Bewusstsein der Konsumenten zunehmend verändere, sei er zuversichtlich, dass sich auch die Ertragslage für die Schweinezüchter beruhigen werde.

Ruinöse 1,25 Euro pro Kilo

BBV-Präsident Heidl nannte mehrere Ursachen für den derzeitigen Rückgang der Erzeugerpreise - wenig Feste im zweiten Coronajahr, gesunkener Absatz in der Gastronomie, weniger Nachfrage in den Urlaubsgebieten, und die gesperrte Ausfuhr deutschen Schweinefleischs in Drittländer wegen des Auftretens der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen. "Das Ganze wird verschärft durch steigende Kosten bei Energie und Futter."

Die Bürger spüren laut Bauernverband von den niedrigen Erzeugerpreisen jedoch nichts: "Im Gegenteil, die Marge zwischen Landwirtschaft und Ladentheke ist gestiegen", sagte Heidl. "Der Erzeugerpreis ist um 30 Cent pro Kilo gesunken, und der Preis an der Ladentheke um etwa einen Euro gestiegen. Die Bauern fragen sich, wie das möglich ist. Hier werden offensichtlich Gewinne zu Lasten der Erzeuger gesteigert."

Die Krise kommt nach Heidls Worten in einer ohnehin von anhaltendendem Strukturwandel geprägten Situation. "Die Zahl der schweinehaltenden Betriebe hat sich innerhalb von zehn Jahren auf 4200 halbiert. "Es geht um die Frage, ob uns die Tierhaltung wegbricht oder nicht."

Der Lebensmitteleinzelhandel dürfe nicht nur Maximalforderungen an das Tierwohl formulieren, so Heidl, er müsse sie auch honorieren. "Wenn man die deutsche Landwirtschaft ausbremst, wandert die Tierhaltung ab. Dann gibt es überhaupt keine Kontrolle mehr." Der Bauernverband fordert eine verbindliche Herkunftsbezeichnung für Fleisch. "Mit einer verbindlichen Herkunftsbezeichnung hätten wir die Möglichkeit, die höheren Standards, die Regionalität und das Image unserer Landwirtschaft transparent bis an die Ladentheke transportieren zu können."

Aiwanger ruft den Lebensmitteleinzelhandel auf, kostendeckende Preise an Schlachtereien und Landwirte zu bezahlen: "Die derzeitigen 1,25 Euro je Kilogramm Schweinefleisch sind ruinös."

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