Cappuccino und dann ein illegaler Download?

26.4.2012, 00:00 Uhr
Cappuccino und dann ein illegaler Download?

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Dreißig Jahre. So lange gibt es das Café „Ruhestörung“ in der Tetzelgasse schon. Mehrfach hat es Inhaber und Inneneinrichtung gewechselt, unabhängig davon aber seinen Status als beliebter Treffpunkt von Schülern und Studenten behalten. Das liegt aber nicht nur an der günstigen Lage — für viele ist der kostenlose Internetzugang über Wireless-LAN (WLAN) ein Pluspunkt.

„Im Sommer sitzen die Leute sogar mit Laptop auf der Terrasse und surfen“, erzählt Daniel Köhl, seit sechs Monaten Geschäftsführer des Cafés. Das WLAN ist für ihn ein wichtiger Kundenmagnet. Was seine Gäste allerdings im Internet tun, weiß er nicht. Lesen sie ihre E-Mails oder laden sie illegal Filme oder Musik herunter? Letzteres wäre für ihn ein Ärgernis — auch wenn rechtlich nicht eindeutig ist, wer in so einem Fall haftet.

460 € für zwei Lieder

Viele Wirte und Hotelbesitzer plagen sich trotzdem mit Abmahnungen von Anwaltskanzleien, die im Namen eines Rechteinhabers Schadenersatz, Erstattung der Anwaltskosten und mitunter eine Unterlassungserklärung fordern. Javier Mendoza, der von 2008 bis 2010 Geschäftsführer der Ruhestörung war, bekam so ein Schreiben. Ein Gast hatte zwei Lieder über das offen zugängliche WLAN heruntergeladen.

An Schadenersatz und Anwaltskosten musste Mendoza insgesamt 460 € überweisen, eine Unterlassungserklärung blieb ihm erspart. „Danach haben wir den Internetzugang nur noch gegen Vorlage des Ausweises freigegeben“, sagt Mendoza. „Doch das war auf Dauer zu umständlich.“ Er schaltete das WLAN ab. Mittlerweile betreibt er das El Café in Oberasbach, seinen Internetzugang hat er verschlüsselt. Seinen Nachfolger Köhl warnte er gleich zu Beginn vor der WLAN-Falle.

„Das illegale Herunterladen von Musik oder Filmen ist definitiv eine Urheberrechtsverletzung“, sagt Tobias Rudolph, Anwalt für Internetrecht in Nürnberg. Die Frage ist nur, wer der Verantwortliche ist. „Es gibt kaum verbindliche Rechtsprechung zu diesem wichtigen Thema“, so Rudolph. 2010 fällte der Bundesgerichtshof dazu eine Entscheidung. Daraus geht hervor, dass WLAN-Zugänge ausreichend geschützt und überwacht werden müssen, sonst können Anschlussinhaber als „Störer“ herangezogen werden. In puncto „ausreichend“ zog das Gericht eine Grenze zwischen Privathaushalten und Gewerbetreibenden. Für Letztere gelten höhere technische Anforderungen bei der Verschlüsselung eines WLAN-Zugangs. „Wie diese konkret im Einzelfall aussehen, ist offen“, sagt Rudolph.

Für die Sicherung sind Zeit und Fachwissen nötig, manche Café- oder Hotelbesitzer sind überfordert. Um „auf Nummer sicher zu gehen“, hat Köhl einen externen Provider beauftragt, er hat also den Anschluss und die Verantwortung dafür an ein Unternehmen abgegeben. Jetzt muss jeder Kunde, wenn er in der Ruhestörung surfen will, bei der Anmeldung seine Mobilfunknummer auf der Startseite eingeben. Damit akzeptiert er die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Urheberrechtsverletzungen untersagen. Gleichzeitig kann er über die Mobilfunknummer identifiziert werden, sollte er sich nicht daran halten.

Kommt dennoch eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung, geht die an den Provider. Doch auch hier bleibt die Rechtslage verworren. Zwar können externe Dienstleister mit Hilfe von speziellen Programmen die illegalen Downloads und Person herausfiltern. Doch ohne richterlichen Beschluss dürfen sie die Information nicht herausgeben. Bis so ein Beschluss kommt, kann es dauern. Die Daten dürfen aber nur 90 Tage gespeichert werden wegen des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.

Weg frei für den BGH

„Ein Grund für die schwammige Rechtslage ist, dass insbesondere auf Abmahnungen spezialisierte Anwälte gut daran verdienen“, erklärt Rudolph. Zwar gibt es Rechtsprechung, die für Privatpersonen im Erstfall eine Deckelung der Abmahnkosten auf 100 € vorsieht — doch die Grenze zwischen Privatperson und Gewerbe ist mitunter juristisch schwer bestimmbar. Der entsprechende Paragraf ist also weit interpretierbar und greift in der Praxis nur selten.

Erst kürzlich präsentierte das Bundesjustizministerium in diesem Zusammenhang einen Gesetzesentwurf, um mehr Klarheit zu schaffen. Doch der ist noch in der Schwebe. Die Situation gleicht also immer noch einem „Kalten Krieg“, so Rudolph. Die Parteien haben kein Interesse an Klagen, man einigt sich über die Anwälte. Somit wird klärende Rechtsprechung ausgebremst. „Auch die Gerichte haben kein Interesse daran, eine Flut an Klagen auszulösen, die sie kaum stemmen können“, weiß Rudolph. Zum Leidwesen des Gesetzes. Doch das könnte sich bald ändern.

Im März 2012 ließ das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde zu. Ein 20-Jähriger hatte ohne Wissen seines Stiefvaters über 3000 Musikdateien heimlich heruntergeladen. Der auf Internetkriminalität spezialisierte Polizist bekam eine Abmahnung mit horrendem Schadenersatz. Er klagte, verlor jedoch in allen Instanzen. Sein Argument: Der Stiefsohn wusste, dass Filesharing nicht erlaubt ist. Auch sei er volljährig, er könne ihn nicht laufend kontrollieren. Das Oberlandesgericht Köln wies eine Revision zurück, der Polizist reichte die Verfassungsbeschwerde ein — mit Erfolg.

Zwar ist das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall nicht zuständig, doch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird sich damit befassen. Und: „Entscheidend ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht in das Thema eingemischt hat“, erklärt Rudolph. „Bislang hatte es kaum Gelegenheit dazu, denn wo kein Kläger, da kein Richter.“ Außerdem wäre mit diesem Fall der Weg für den BGH frei, sich endlich mit Filesharing zu befassen und offene Fragen anzugehen — im Interesse von Abmahnopfern und Urhebern.

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