CEO von Siemens Healthineers: "Das ist schon erfüllend"

24.12.2020, 06:00 Uhr
Bernd Montag (51) ist seit Februar 2015 Chef von Siemens Healthineers. Sein Physik-Studium an der Uni Erlangen schloss der gebürtige Münchener mit einer Doktorarbeit ab. Parallel spielte er für TTL Bamberg in der Basketball-Bundesliga. 1995 begann seine Karriere bei Siemens.

© Daniel Karmann, dpa Bernd Montag (51) ist seit Februar 2015 Chef von Siemens Healthineers. Sein Physik-Studium an der Uni Erlangen schloss der gebürtige Münchener mit einer Doktorarbeit ab. Parallel spielte er für TTL Bamberg in der Basketball-Bundesliga. 1995 begann seine Karriere bei Siemens.

Herr Dr. Montag, nie waren in der Welt die Rufe nach einer besseren Ausstattung der Gesundheitssysteme lauter als jetzt in der Pandemie. Sie müssen ein glücklicher Mann sein.

Bernd Montag: Da täuschen Sie sich. Die Pandemie ist eine Niederlage. Es sind Millionen Menschen gestorben. Von daher wäre es komplett fehl am Platze, froh zu sein. Ich glaube, es ist eine Lehre, was wir alles besser machen müssen. Positiv ist, dass das Bewusstsein dafür gestiegen ist, dass ein gut ausgestattetes Gesundheitswesen kein lästiger Kostenfaktor, sondern ein essenzieller Teil der nationalen Infrastruktur ist. Ich glaube, das ist langfristig gut für die Gesellschaft. Und sicherlich auch gut für uns als Unternehmen.

Besonders gefragt sind zurzeit natürlich Corona-Tests. Einige ihrer Rivalen waren damit sehr schnell auf dem Markt. Sie nicht. Was war los?

Montag: Als Siemens Healthineers sind wir zwar im Bereich der Diagnostik tätig, hatten da vor der Pandemie aber keinen Fokus auf PCR-Tests. Wir haben dann trotzdem sehr, sehr schnell einen eigenen entwickelt. Und auch mit einem führenden Antikörper-Test und einem Antigen-Test sind wir inzwischen auf dem Markt. Dafür, dass wir auf den Gebieten PCR- und Antigen-Tests nicht unseren Schwerpunkt haben, bin ich sehr zufrieden, wir mit den Wettbewerbern mithalten, für die das ihr angestammtes Geschäft ist.

Inwiefern hat sich die Pandemie auf die Arbeit an den Standorten bei uns in der Region ausgewirkt?

Montag: Ich bin sehr stolz darauf, wie unsere Mannschaft von einem Tag auf den anderen aus dem Homeoffice gearbeitet hat und es trotz all dieser Herausforderungen gelungen ist, den Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr stabil zu halten. Wir haben im Grunde einfach weitergearbeitet. Wir haben natürlich auch unsere Forschungsprojekte vorangetrieben, wir zählen ja mehr Entwickler als Fertigungsmitarbeiter im Unternehmen. Viele Bereiche sind zurzeit extrem beschäftigt, zum Beispiel die Computertomographie. Kurzarbeit ist bei uns die absolute Ausnahme, das betrifft nur eine Handvoll Mitarbeiter – vornehmlich im Kantinenbetrieb.

An ihren Standorten Forchheim, Erlangen und Kemnath haben sie über 11.000 Mitarbeiter. Damit sind sie einer der größten Arbeitgeber in der Region. Wie sieht die Zukunft dieser drei Standorte aus?

Montag: Wir haben uns insgesamt vorgenommen, jährlich um mehr als fünf Prozent zu wachsen. Dieses Ziel haben wir auch an den Kapitalmarkt kommuniziert und dabei spielen die bayerischen Standorte natürlich eine wichtige Rolle. Wir haben in Forchheim und in Erlangen unseren wichtigen Bildgebungsbereich und in Kemnath einen großen Komponentenzulieferer. Gleichzeitig sind wir ein globales Unternehmen. Sobald der Zukauf von Varian abgeschlossen ist, werden wir tatsächlich mehr amerikanische als deutsche Mitarbeiter haben.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt die Zentrale in Deutschland und wir investieren derzeit auch in alle drei Standorte: Wir investieren in Forchheim 350 Millionen Euro in ein Zentrum für Röntgenstrahlungs-Erzeugung für die Computertomographie. In Erlangen – und da bin ich besonders stolz darauf – bauen wir ein Ausbildungszentrum, sowohl für die Auszubildenden, als auch als Trainingsort für unsere Servicemitarbeiter. Diese baulichen Maßnahmen zeigen: Da findet Wachstum statt.

Wird sich das auch in steigenden Mitarbeiterzahlen niederschlagen?

Montag: Wir werden die Mitarbeiterzahl nicht im gleichen Maße steigern, wie wir den Umsatz steigern. Aber wir stellen in Deutschland jährlich immer um die 300 Mitarbeiter neu ein. Von daher kann man auch erwarten, dass das in etwa so weitergeht.

Ihr Schwesterkonzern Siemens Energy und der Mutterkonzern Siemens AG bauen einen neuen Stadtteil im Süden Erlangens. Bekommt man da nicht Lust, selbst was Größeres hinzustellen?

Montag: Ich glaube, wir haben schon ganz schön viel hingestellt. Vor zweieinhalb Jahren haben wir in Erlangen unser neues Headquarter bezogen; in Forchheim vor drei Jahren einen großen Neubau eröffnet. Ich fühle mich damit ganz wohl. Wobei ich allgemein den Unternehmenszweck nicht in großen Bauten sehe.

Ein Riesen-Thema in den vergangenen Monaten war die Übernahme des US-Rivalen Varian, Spezialist für Strahlentherapie bei Krebs. Über 16 Milliarden US-Dollar und damit in etwa so viel wie der Jahresumsatz von Healthineers: Ist das nicht doch ein bisschen teuer?

Montag: Mit der Varian-Übernahme gehen wir in ein neues Geschäftsfeld, das extrem wichtig ist. Wir haben vorhin über Corona gesprochen. Krebs ist eine Pandemie, die ständig da ist. Und die Anzahl der Krebs-Toten ist deutlich höher als die Anzahl der Covid-19-Toten. Deshalb ist dieses Geschäft für uns sehr, sehr wichtig.

Aber was Varian macht, hat Siemens bis vor ein paar Jahren doch noch selbst angeboten – und dann eingestellt. Warum jetzt die teuer erkaufte Rückkehr?

Montag: Wir haben 2012 bekannt gegeben, Geräte für Strahlentherapie nicht mehr selbst zu bauen, weil wir da gegenüber einem anderen Anbieter nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Das muss man zugeben. Wir haben uns aber nicht zurückgezogen, weil wir nicht mehr daran geglaubt hätten, dass das prinzipiell ein gutes Geschäft sein könnte.

Jetzt sehen Sie bessere Chancen für sich?
Montag: Ja. Wir kennen Varian sehr gut, arbeiten schon länger eng zusammen. Die Digitalisierung hat im Zusammenspiel zwischen Diagnose und Therapie ganz neue Möglichkeiten geschaffen. Unsere Kunden verlangen immer häufiger Komplettlösungen. Wir sind Weltmarktführer bei der Bildgebung und mit Varian haben wir jetzt den Weltmarktführer bei der Krebstherapie. Diese sich ergänzende Kombination lässt sich heute viel stärker nutzen als zum Beispiel noch in den 90er-Jahren.

Erst die unrunde Einführung Ihrer Diagnose-Plattform Atellica, die nach wie vor viele Kräfte bindet, dazu die Pandemie und jetzt auch noch die Varian-Integration: Drohen Sie nicht, Healthineers zu überfordern?

Montag: Sie unterschätzen uns. Aus meiner Sicht zeigt das unsere Leistungsfähigkeit, wie wir die Pandemie meistern, an Atellica weiterarbeiten und jetzt die Varian-Übernahme managen. Ich glaube, ich habe ein Gefühl dafür, was wir können und ab wann es größenwahnsinnig würde. Es ist ja immer die Frage, sage ich "o je"? Oder sage ich, das ist die Herausforderung wert? Und das ist es, denn unsere Arbeit hilft der Gesundheit von Menschen. Das ist schon erfüllend.

Künstliche Intelligenz spielt in der Medizintechnik eine zunehmend wichtigere Rolle. Zu Recht?

Montag: Ein anschauliches Beispiel ist eine CT-Untersuchung des Brustkorbs. Die künstliche Intelligenz findet dabei auf dem Scan automatisch das Herz, die Herzkranzgefäße. Sie misst nach, ob diese an irgendeiner Stelle verengt sind. Die KI findet auch die Aorta und kann feststellen, ob dort ein Aneurysma ist. All das, was für einen Radiologen sehr viel Arbeit ist und Zeit kostet, können wir jetzt in einer Befundhilfe zur Verfügung stellen. Und das ist jetzt nur der Blick der Privilegierten in der westlichen Welt. In manchen Entwicklungsländern gibt es möglicherweise keinen Radiologen und oft ist es leichter, ein Gerät zu installieren, als ausgebildetes Personal zu bekommen. Mit KI machen wir Untersuchungen auch dort noch möglich, wo man sich den Spezialisten nicht leisten kann.

"Diese Erfahrung früh zu machen, ist nicht schlecht"

Wenn man sich den Radiologen nicht leisten kann, kann man sich allerdings auch die Untersuchung mit dem Gerät höchstwahrscheinlich nicht leisten.

Montag: Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal ist überall ein Riesenthema. Wir können durch unsere Geräte immerhin zur Verfügung stellen und sicherstellen, dass man auf dem Land irgendwo in Deutschland, aber eben auch in Entwicklungsländern die gleiche Versorgung bekommt, wie in einer Universitätsklinik.

Herr Dr. Montag, gibt es eigentlich noch jemanden, der Sie Bernhard nennt?

Montag: Heute tatsächlich niemand mehr, das steht nur in meinem Pass. Bernhard haben meine Eltern gesagt, wenn ich etwas Schlechtes gemacht habe. Denn wenn man jemanden schimpfen will, braucht man zwei Silben: Bern-hard. Aber das war das letzte Mal, dass das passiert ist.

Auf dem Regal hinter Ihnen erkennen wir einen Bildband von Audrey Hepburn und einen von München. Wir hätten eher einen Basketball erwartet.
Montag: (Hält ein Foto mit ihm neben einer jungen Frau im Basketball-Trikot in die Kamera) Das ist meine Tochter als Junioren-Nationalspielerin.

Sie selbst waren auch nicht untalentiert, haben für Bamberg sogar Bundesliga-Basketball gespielt. Auf der Center-Position, wo die robusten, bulligen Typen gefragt sind. Eigenschaften, die Ihnen noch heute als Healthineers-Chef helfen?

Montag: Center war ich, aber bullig bin ich eher nicht, dafür wiege ich einfach zu wenig. Aber im Ernst: Ich denke schon, dass eine Vergangenheit im Leistungssport hilft. Im Team zu gewinnen, ist eine super tolle Erfahrung. Und es fördert die Ausdauer und Disziplin. Rein statistisch verliert man jedes zweite Spiel. Es gibt also Phasen, in denen es nicht läuft und man muss trotzdem weiter machen. Diese Erfahrung früh zu machen, ist nicht schlecht und hilft auch in der Arbeit.

Ein Mysterium müssen Sie zum Schluss bitte noch klären: Das Internet rätselt über Ihre Körpergröße, von 2,02 bis 2,14 Meter reichen die Spekulationen.
Montag: (lacht) Ich glaube, ich bin um die 2,05 Meter.

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