Continental: Bald 2000 Mitarbeiter

7.4.2012, 12:00 Uhr
Continental: Bald 2000 Mitarbeiter

© Günter Distler

Schichtwechsel. Bei Conti Temic in Nürnberg steht eine Gruppe Mitarbeiter zusammen, um die Übergabe zu besprechen. Haben Maschinen stillgestanden? Gab es sonstige Probleme? Die neue Schicht muss Einzelheiten wissen und eventuelle Schwierigkeiten mit dem Vorgesetzen besprechen und beheben. „Genba“, Japanisch „der richtige Platz“, heißt dieses Ritual. Es ist Teil der unter „Lean Production“ zusammengefassten Philosophie des schlanken, effizienten und möglichst fehlerfreien Produzierens.

Conti sieht sich als Weltmarktführer für Getriebesteuerungen und die Weltzentrale dafür steht in Nürnberg-Nord. 1,7 Millionen Steuerungen haben die Fabrik im vergangenen Jahr verlassen, zur Auslieferung an nahezu alle Fahrzeughersteller. Für diese Steuerungen für Automatikgetriebe fertigen die Nürnberger mehr als 60000 Platinen — pro Tag. Das sind besonders beschichtete Keramikplatten. Die elektrischen Verbindungen zwischen den Bauteilen werden durch Golddrähte hergestellt. Sie sind dünner als ein menschliches Haar, mit bloßem Auge gerade einmal zu erkennen. Wichtiger sei, was die kleine Leiterplatte bewirken kann, erklärt Andreas Hardt, Produktionsleiter für Transponder. „In den Platinen steckt die ganze Intelligenz.“ Ein sogenannter „Matrix-Code“ garantiert die Rückverfolgbarkeit der Bauteile, wenn etwas schiefgeht.

Zudem müssen sie viel aushalten, sie sind ausgerichtet für Temperaturschwankungen zwischen minus 40 bis plus 140 Grad. Wenn etwa auf der Fahrt hoch zu einem Alpenpass viel geschaltet wird, kann die Temperatur 130 Grad erreichen.

Das meiste in dieser hochkomplexen Produktion ist automatisiert, doch ohne Menschen geht es nicht. Die Bauteile — Widerstände und Kondensatoren — sind inzwischen so klein geworden wie Sandkörner. Die Minimalisierung dank Systemintegration ist in den letzten fünf bis zehn Jahren um 60 bis 80 Prozent vorangeschritten.

Beim Bonden, der Verbindung per Golddraht, schnellt die Maschine zwölfmal pro Sekunden auf die Platine herab, in der Art einer superschnellen Nähmaschine. Neben der automatischen Fertigungsstraße kontrolliert eine Mitarbeiterin, ob Mängel aufgetreten sind. Dabei hilft ihr der Computer, indem er verdächtige Stellen mit roten Kreisen hervorhebt. Stellen sich diese „Pseudo-Fehler“ genannten Unterschiede als echte Fehler heraus, landet die Platte im Abfall. Per Hand kann hier nichts repariert werden, zu fein ist die Technik.

Die Augen am Mikroskop

An einem anderen Arbeitsplatz gegenüber steht eine Mitarbeiterin der Qualitätsprüfung am Mikroskop und untersucht Produkt für Produkt. Weil die Augen schnell ermüden, werden die Aufgaben alle zwei Stunden im routierenden System gewechselt.

Die Geschäfte laufen prächtig, das ist im Werk von Conti Temic zu spüren. Die Hightech-Schmiede zählt zu den Top Ten der wichtigsten Arbeitgeber im Großraum Nürnberg. Es sei nur noch eine Frage von Wochen, dass der 2000. Mitarbeiter am Standort in Nürnberg-Schafhof eingestellt werde, sagt Manager Rudolf Stark. Das entspricht einer Verdoppelung der Beschäftigtenzahl innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Heute sind acht Prozent davon Leiharbeiter. Ein Ende der Expansion ist nicht abzusehen: Vor Weihnachten wurde das Fundament für ein neues Test- und Entwicklungszentrum gelegt. Im November dieses Jahres soll es eingeweiht werden. Den Planungen zufolge werden dort 200 Menschen beschäftigt sein. Auch an der Gebertstraße, im früheren Gebäude von Ericsson, hat Conti sich breitgemacht: Dort sitzen die für den Einkauf des Unternehmens zuständigen Kaufleute.

Der Standort Nürnberg beherbergt zwei zentrale Kompetenzen innerhalb des Konzerns. Nürnberg ist weltweiter Hauptsitz der Geschäftsbereiche Getriebesteuerungen (Transmission), die Stark leitet. Die Hälfte der Nürnberger Mitarbeiter ist diesem Bereich zuzuordnen, davon allein 450 Mitarbeiter in der Entwicklung.

Die zweite zentrale Funktion heißt Hybrid- und Elektroantriebe (Hybrid Electric Vehicles), geführt von José Avila, der außerdem im Vorstand sitzt. Dieser Bereich beschäftigt rund 100 Mitarbeiter, die Lithium-Ionen-Batterien montieren — rund 15000 Stück pro Jahr. Elektromobilität, der Markt von morgen, ist auch für Continental ein großes Thema.

Zurück zur 35-Stunden-Woche

Die Auftragslage ist gut, eine Eintrübung spüre er nicht, meint Stark. Daher gibt es keinen Grund, weiterhin Opfer von den Beschäftigten zu verlangen, wie dies in den zurückliegenden Krisenjahren geschah: Die wöchentliche Arbeitszeit von tariflichen 35 Stunden war per Ergänzungstarifvertrag auf 38 Stunden erhöht worden — ohne Lohnausgleich. Dafür gab Conti eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende Juni 2012.

Dann läuft dieser Vertrag aus mageren Zeiten aus. Die Nürnberger Personalchefin Margit Wild sagt: „Danach kehren wir sukzessive zur 35-Stundenwoche zurück.“
 

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