Dividende

Corona-Jahr: Sollen Aktionäre an Unternehmensgewinnen beteiligt werden?

19.6.2021, 05:58 Uhr
Wie viel Dividende gibt es im Corona-Krisenjahr? Die Auszahlungen sind umstritten.

© Frank Rumpenhorst, NNZ Wie viel Dividende gibt es im Corona-Krisenjahr? Die Auszahlungen sind umstritten.

33 Cent Dividende pro Aktie möchte die Umweltbank ihren Aktionären bei der Hauptversammlung für das durch die Pandemie geprägte Jahr vorschlagen. Sprecher Oliver Patzsch begründet das damit, dass die Bank solide durch die Krise gekommen sei - ohne Kurzarbeit, ohne staatliche Kredite.

Zudem habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ihre Einschätzung aus dem vergangenen Frühjahr, dass alle Finanzinstitute keine Dividenden auszahlen sollten, wieder relativiert und von der Ertragslage abhängig gemacht. "Wir haben vorigen Juni erst mal die Zahlung für 2019 ausgesetzt, bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im Herbst dann aber doch vorgeschlagen", so Patzsch. "Wir setzen unseren Kurs guten Gewissens fort."

Petition gestartet

Doch was ist mit den Unternehmen, die sich staatliche Hilfe geholt haben und reihenweise Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben? Dürfen die nun Geld an ihre Aktionäre auszahlen? Die Bürgerbewegung Finanzwende, die mehr als 26.000 Unterstützer für ihre Petition "Lockdown für Dividenden: Keine Staatshilfen für Aktionäre" geworben hat, sagt: Nein. "Im Ergebnis werden so Steuergelder, die Beschäftigung sichern und Pleiten verhindern sollten, als Gewinnausschüttungen an Aktionäre weitergeleitet", heißt es in der Forderung, die an Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) adressiert ist.

Auf Twitter blies der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, in selbe Horn: "Kurzarbeitergeld ist eine Staatshilfe. Wer auf Staatshilfe setzt, kann nicht gleichzeitig Gewinne an Aktionäre ausschütten." Er sei deshalb für einen generellen Dividendenstopp. Ob aus seiner Forderung eine konkrete Handlung wurde? Unsere Nachfrage lässt er unbeantwortet.

"Nicht jeder Kredit ist eine Staatshilfe"

Dafür äußert sich Stefan Müller aus Erlangen, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Bundestagsfraktion: "Falls es Aktiengesellschaften gibt, die in der Corona-Krise in nennenswerter Größenordnung Dividenden ausschütten, obwohl sie Staatshilfen in Anspruch genommen haben, wäre das aus meiner Sicht nicht akzeptabel", sagt er.

Gleichzeitig warnt Müller: "Nicht jeder Kredit ist automatisch eine Staatshilfe, zumal dann, wenn solche Kredite schnell wieder zurückbezahlt werden." Weiter sagt er, dass auch beim Kurzarbeitergeld zunächst die Rücklagen herangezogen würden, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im System der Arbeitslosenversicherung gemeinsam erwirtschaftet wurden. "Erst seitdem diese Mittel aufgebraucht sind, springt die Staatskasse – also die Gemeinschaft aller Steuerzahler – in die Bresche. Ab diesem Zeitpunkt ist natürlich auch hier Zurückhaltung bei Dividendenzahlungen angebracht."

Adidas hat Staatshilfe zurückgezahlt

Vor allem Daimler und Adidas stehen in der Kritik, ihren Aktionären Gewinne überwiesen zu haben, die mittels Staatshilfe erwirtschaftet wurden. Adidas weist diesen Vorwurf von sich. "Adidas hat im vergangenen Jahr, als das Unternehmen einen Kredit unter Beteiligung der KfW in Anspruch genommen hat, keine Dividende ausgeschüttet. Eine Dividende wurde erst vorgeschlagen, nachdem der KfW-Kredit inklusive Zinsen und Gebühren zurückgezahlt war, und weil wir dank enormer Anstrengungen trotz Pandemie von einem positiven Geschäftsverlauf für 2021 ausgehen können", erläutert Sprecherin Claudia Lange. Die Höhe der vorgeschlagenen Dividende sei mit 3 Euro pro Aktie niedriger ausgefallen als die Dividende, die zuletzt ausgezahlt wurde.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat kürzlich eine aktuelle Dividendenstudie veröffentlicht, wonach der Anteil der dividendenzahlenden Firmen von 65 auf 75 Prozent gestiegen ist. Wie ist das in der Krise zu rechtfertigen? DSW-Sprecher Jürgen Kurz weist darauf hin, dass dies kein Problem sei, solange ein Unternehmen das Geld selbst erwirtschafte und nicht aus der Substanz zahle. Zudem sei zu differenzieren, um welche Staatshilfe es sich handelt, bevor man ein Unternehmen beschuldigt, auf Kosten des Staates seine Aktionäre zu belohnen.

Über Dividendenhöhe diskutieren

Über die Höhe der Dividendenzahlung könne man diskutieren, wenn eine Aktiengesellschaft trotz Kurzarbeit Geld ausschütten möchte. "Das Unternehmen kann zum Beispiel weniger auszahlen und den Rest als Polster anlegen", meint er.

Etwas anderes gelte bei den Staatshilfen. "Wer eine solche bekommt, der darf keine Dividende auszahlen", sagt der DSW-Sprecher. "Denn ohne diese Hilfe wäre das Unternehmen ja nah an der Insolvenz." Wenn eine Firma jedoch das Hilfsgeld zurückgezahlt habe und dann unter dem Strich ein Gewinn bleibe, könne eine Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Kurz weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass sich im ersten Lockdown viele Unternehmen die staatliche Hilfe gesichert hätten, weil unklar war, wie es für die Wirtschaft weitergehe. "Da gingen einige auf Nummer sicher, stellten dann aber fest, dass sie das Geld doch nicht brauchen", erklärt er.

Kurz führt noch einen anderen Grund an, warum einige Aktiengesellschaften trotz Krise eine Dividende ausschütten: die internationale Aktionärsstruktur. "Vor allem anglo-amerikanische Investoren legen Wert auf eine Zahlung, viele Staatsfonds rechnen damit. Wenn die Dividende wiederholt ausbleibt, führt das nicht zu großer Freude bei diesen Aktionären."