Der Kunde bleibt Herr über die Ziele

14.3.2012, 05:00 Uhr
Der Kunde bleibt Herr über die Ziele

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Wozu brauchen wir überhaupt ein Mediationsgesetz? Bis heute ging’s doch auch ohne.

Bernd Borschel: Die Europäische Union hat alle Mitgliedsländer dazu verpflichtet. Wichtiger ist mir aber: Bislang darf sich jeder Mediator nennen, der Beruf ist nicht geschützt. Das Gesetz soll Mindeststandards und Qualifikation der Berater regeln, indem sie zertifiziert werden. Das dient dem Verbraucherschutz.

Worin besteht außerdem der Fortschritt für die Verbraucher?

Borschel: Es werden Rechte und Pflichten des Mediators festgelegt. Etwa die Offenlegungspflicht: Wenn ich als Mediator einen Kunden vertrete, dessen Gegenpart zufälligerweise mein Schwager ist, wäre ich befangen. Das muss ich qua Gesetz offenlegen. Geregelt ist dann auch die Pflicht zur Verschwiegenheit, damit der Mediator seinen Fall nicht genüsslich am Stammtisch ausbreitet. Beides ist zwar per Ehrenkodex ohnehin geächtet, doch ein Gesetz hat mehr Gewicht.

Klingt doch gut. Was hatte wer im Bundesrat daran auszusetzen, so dass der Entwurf zum zweiten Mal zurückverwiesen wurde an den Vermittlungsausschuss?

Borschel: Ich kann da nur mutmaßen. Fest steht: Die Einwände betreffen nicht den Verbraucherschutz. Strittig ist die gerichtsinterne richterliche Mediation, die als Pilotprojekt seit Jahren in Bayern erfolgreich getestet wird. Anscheinend haben einige Bundesländer Angst, dass das bayerische Güterichtermodell allen übergestülpt wird. Dieses soll nach Wunsch der Länderkammer anders verankert werden.

Womit beschäftigt sich speziell ein Wirtschaftsmediator wie Sie?

Borschel: Er ist ausgebildet und erfahren darin, Konflikte in und zwischen Unternehmen zu schlichten. Er kennt Strukturen, Abläufe und Arbeitsteilung in Firmen. Gerufen werden wir von Inhabern, Geschäftsführern, Personalleitern oder Betriebsräten. Meistens hat sich der Streit dann leider schon hochgeschaukelt.

Ein Beispiel?

Borschel: Das Paradebeispiel sind zwei Teams, die gegeneinander statt zusammen arbeiten. Die Stimmung ist so schlecht, dass die Produktivität sinkt und die Ergebnisse leiden. Jeder denkt, er tue sein Bestes, in Wahrheit aber herrscht beinahe Krieg. Es geht vielen Betrieben so, dass Rollen sich mit der Zeit verfestigt haben. Sachliches Reden ist dann unmöglich. Ohne Hilfe von außen kommen die Kontrahenten da nicht raus.

Was tun Sie dann?

Borschel: Ich lasse mir den Konflikt schildern, schaue mir die Arbeitsverhältnisse und Abläufe an. Wenn ich alle Beteiligten an einen Tisch gebracht habe, folgt die Mediation einer klaren Struktur nach klaren Regeln. Am Ende unterschreiben alle eine Abschlussvereinbarung.

Verliert bei finanziellen Streitigkeiten nicht immer der eine mehr als der andere?

Borschel: Es geht nur scheinbar ums Geld, Nehmen wir als Beispiel das Ringen um die Höhe einer Abfindung. Unter der Oberfläche der pseudo-sachlichen Motive liegen meist Verletzungen, die die Streithähne dermaßen aufwühlen. Der eine fühlt sich beleidigt, der andere über den Tisch gezogen. Missgunst und Neid sind auch oft dabei. Darauf schaue ich und bringe die Beteiligten dazu, über Kränkungen zu sprechen.

Das ist in vielen Betrieben eher unüblich. Fürchtet die Kundschaft dann, auf einen Psychotrip mitgenommen zu werden?

Borschel: Das kommt anfangs vor. Zum Beispiel wenn der Chef sagt: „Wir dürfen es nicht Mediation nennen, sonst denken die Leute, sie müssten sich aufs Sofa legen.“ Die Teilnehmer merken dann aber schnell, dass die Besprechungen so laufen wie Vertragsverhandlungen und kein Psychokram sind. Die Gruppe verbringt die meiste Zeit mit der Suche nach Wünschen und Bedürfnissen.

Was ist Ihre Rolle dabei?

Borschel: Ich sorge für Struktur und habe die Verfahrenshoheit. Die inhaltliche Hoheit liegt bei den Teilnehmern. In die Ziele mische ich mich nicht ein, sorge aber dafür, dass es möglichst viele Lösungsmöglichkeiten gibt.

Das klingt verkomplizierend...

Borschel: Keineswegs. Manche sind total auf eine Lösung fixiert, sie starren nur etwa auf die Höhe der Konventionalstrafe. Ich frage: Warum überhaupt Konventionalstrafe? Die allermeisten Konflikte lösen sich, wenn sich alle an einen Tisch setzen und sich Zeit lassen. Entschleunigung statt schnell schnell. Die erste Lösung ist selten die beste.

Sie lassen sich nach Stunden bezahlen. Wie viel Zeit muss man rechnen?

Borschel: Ein seit drei Jahren schwelender Konflikt ist selten in drei Stunden zu lösen. Hexen kann ich nicht. Aber verglichen mit gerichtlichen Verfahren geht Mediation superschnell.

Und die Kosten?

Borschel: Vor Gericht hängt der Preis vom Streitwert ab, das ist oft ein großer Kostentreiber. Bei uns zählt da nur die Arbeitszeit. Bei innerbetrieblichen Mediationen kann man oft mit einem vierstelligen bis niedrigen fünfstelligen Betrag rechnen.



Die Nürnberger Initiative für die Kommunikationswirtschaft (NIK) bietet zur Mediation heute eine Abendveranstaltung mit Bernd Borschel an. Wegen der großen Nachfrage ist der Vortrag ausgebucht.

 

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