Erster Gipfel in Nürnberg: Aktivisten wollen bundesweiten Mietenstopp

4.10.2020, 16:25 Uhr

Sechs Jahre lang hatte Kalle Gerigk gekämpft, doch am Ende musste er doch raus aus seiner 65 Quadratmeter großen Dachgeschosswohnung im Kölner Agnesviertel. Sein Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet, die Wohnung jedoch kurz darauf im Internet zum Verkauf angeboten. „Die Sache hat von Anfang an gestunken“, sagt der 60-Jährige, der jedoch nach einem jahrelangen Rechtsstreit den Kürzeren zog.


Stopp für "Mietenstopp": Das denken Akteure aus der Region darüber


Die Wohnung wurde zwangsgeräumt, auch wenn zu dem Räumungstermin über 200 Unterstützer aus dem gesamten Viertel erschienen. Die Polizei bot mehr als 100 Beamte auf, um die Blockade vor dem Mietshaus aufzulösen. Gleich mehrere örtliche Initiativen wie „Recht auf die Stadt“ und „Wohnraum für alle“ hatten sich zur Initiative „Alle für Kalle“ zusammengeschlossen. Auch in einigen überregionalen Medien wurde über den Fall berichtet.

„Ich habe damals wahnsinnig viel Solidarität erfahren, und da will ich jetzt auf diesem Weg etwas zurückgeben“, erzählt Kalle Gerigk, der sich mittlerweile selbst bei „Recht auf Stadt“ engagiert und einer der Delegierten bei der Premiere des Mietenstopp-Gipfels in Nürnberg war. Eingeladen zu der dreitägigen Veranstaltung im Karl-Bröger-Zentrum hatten die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens „#6JahreMietenstopp“ in Bayern, das im Juli vom bayerischen Verfassungsgerichtshof abgewiesen worden war. Jetzt ist es ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, genauso wie eine ähnliche Initiative in Berlin.

"Auf Länderebene beißen wir auf Granit"

„Auf kommunaler und auf Länderebene beißen wir teilweise auf Granit, deshalb vernetzen wir uns jetzt bundesweit“, sagt Beatrix Zurek, eine der Initiatorinnen des Mietenstopp-Volksbegehrens und Vorsitzende des Landesverbandes Bayern des Deutschen Mieterbundes. Bezahlbares Wohnen sei die soziale Frage unserer Zeit und werde auch die Schicksalsfrage bei der nächsten Bundestagswahl sein, ist sich Zurek sicher.

Um Detailfragen wie eine Bodenrechtsreform oder Umwandlungsverbote von Miet- in Eigentumswohnungen ging es bei diesem ersten Mietengipfel nur am Rande, zuerst einmal wollten sich die Aktivisten der verschiedenen Initiativen auf eine gemeinsame Stoßrichtung verständigen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Berliner Mietendeckels und des bayerischen Mietenstopp-Volksbegehrens werden laut Kampagnenleiter Matthias Weinzierl die Weichen stellen, wie es genau mit dem neuen Netzwerk weitergeht.

Nächster Gipfel in Berlin geplant

2021 soll der zweite bundesweite Mietenstopp-Gipfel stattfinden, dann in Berlin und mit einem detailliert ausgearbeiteten Paket von Forderungen an die Bundespolitik. Dass schon lokale Initiativen einigen politischen Druck aufbauen können, davon berichtete zum Beispiel Felix Wiegand von der Initiative „Stadt für alle“ in Frankfurt am Main. Manche Vorstöße seien von der Gegenseite zuvor als realitätsfern abgetan worden, doch unter anderem konnten Wiegand und seine Mitstreiter erreichen, dass eine örtliche Wohnungsbaugesellschaft ihre Mieten nur noch um maximal ein Prozent pro Jahr erhöhen darf.

Die Debatte und die Aktivitäten zu den Themen Mietenstopp und Mietendeckel werden im kommenden Jahr weiter Fahrt aufnehmen, ist sich der Frankfurter Aktivist sicher, und nach Ansicht von Kalle Gerigk ist es auch höchste Zeit dafür. „Der Kampf um bezahlbare Mieten ist ähnlich wichtig wie der gegen den Klimawandel.“

Bereits im Juli hatte der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, gefordert: "Wir brauchen eine bundesweite Regelung, nach der die Mieten in den nächsten fünf bis sechs Jahren nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden dürfen." Dann wären Landesgesetze unnötig.

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