Hohe Verluste, ungewissen Zukunft

Flughafen-Chef Michael Hupe: "Das erste halbe Jahr hat nicht stattgefunden“

23.9.2021, 14:29 Uhr
Michael Hupe ist seit November 2013 Geschäftsführer des Albrecht Dürer Airports Nürnberg. 

© Christian Albecht Michael Hupe ist seit November 2013 Geschäftsführer des Albrecht Dürer Airports Nürnberg. 

Wie haben Sie Ihren Urlaub verbracht?
Wir waren mit dem Auto in Südtirol, aber das hatte private Gründe. Sonst wären wir auch geflogen.

Wie sehr schränkt Corona Ihr gewöhnliches Urlaubsverhalten ein?
Es ist eine gewisse Herausforderung! Man muss sich Gedanken machen, welches Land gerade welche Regeln hat. Dann gibt es Einreiseformalitäten zu erfüllen. Wenn man zum Beispiel wie wir mit dem Auto nach Italien fährt, muss man zwei Einreiseformulare ausfüllen, weil man noch durch Österreich fährt. Das Reisen ist deutlich anspruchsvoller geworden. Corona hält mich aber nicht vom Fliegen ab, in den Pfingstferien waren wir auf Kreta.



Wie fällt Ihre Bilanz zum Sommergeschäft des Flughafens aus?
Ich bin froh, dass wir wieder ein vernünftiges Flugangebot mit bis zu 40 Zielen haben. Die Tourismusbranche hat zwar gehofft, dass alles schneller geht, aber wir wissen seit zwölf Monaten auch, dass die Luftfahrt erst langsam wieder ins Laufen kommt. Das erste Halbjahr hat so gut wie nicht stattgefunden, mit den Pfingstferien ging es wieder aufwärts. Da mussten wir uns jede Strecke neu erarbeiten und dafür kämpfen. Problematisch waren vor allem die vielen Unsicherheiten mit Ländern, die als Risikogebiete eingestuft und dann wieder von der Liste genommen wurden. Aber wie immer bei Corona muss man ein bisschen Geduld haben, und am Ende des Tages sieht es doch so aus, dass die Leute immer noch gerne ihre Familien und Verwandten besuchen oder in den Urlaub fliegen, und nicht auf deutschen Autobahnen im Stau stehen wollen.

Was war die schwierigste Situation seit Ausbruch der Pandemie?
Es war für mich bedrückend, einen Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken.



Wie viele hat das betroffen und wie viele Beschäftigte sind entlassen worden?
Das waren 60 bis 70 Prozent, momentan sind es noch 15 bis 20 Prozent. Über ein Freiwilligenprogramm und auslaufende Zeitverträge haben wir den Personalstamm von über 1000 leider auf 840 verkleinern müssen. Ich bin optimistisch, dass wir uns ohne betriebsbedingte Kündigungen auf ein vernünftiges Level eingependelt haben.

Hat der Flughafen auch staatliche Unterstützung bekommen?
Ja, von unseren Anteilseignern, also der Stadt Nürnberg und dem Freistaat Bayern, haben wir eine Kapitalerhöhung von je 25 Millionen Euro bekommen. Darüber hinaus erhalten wir für das zweite Quartal 2020 eine Kompensationszahlung von Bund, Land und Stadt, die EU-rechtlich genehmigt ist, weil wir eine Betriebspflicht haben und den Flughafen während der ganzen Zeit offenhalten mussten.



2020 hat der Flughafen einen Verlust von über 40 Millionen Euro ausweisen müssen. Wegen der Pandemie bleibt es schwierig, verlässlich zu planen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie dem Ende des Geschäftsjahrs 2021 entgegen?
Die Kompensationszahlung fließt in das laufende Geschäftsjahr mit ein, das heißt, unser Jahresergebnis wird deutlich besser aussehen als das im vorigen Jahr. Aber wir werden dieses Jahr trotzdem wieder einen ordentlichen Verlust ausweisen, weil wir – wie schon gesagt – im ersten Halbjahr wenig Umsatz hatten. Immerhin schaffen wir es mit dem aktuellen Verkehrsaufkommen, unsere Liquidität stabil zu halten. Das ist für uns schon ein Erfolg. Mein Gefühl dabei kann man als vorsichtig optimistisch bezeichnen. Wir sind zwar noch weit von der Normalität entfernt, aber zumindest sieht es hier schon wieder aus wie an einem Flughafen.



Wo sehen Sie momentan die Stärken des Flughafens?
Wir sind zwar kein großer, aber ein mit unserer mittleren Größe sehr flexibler Flughafen, der ein Einzugsgebiet hat, das eine starke Kaufkraft aufweist. Ich glaube, dass sich da andere kleine Flughäfen deutlich schwerer tun, den Betrieb wieder hochzufahren und Angebote zu schaffen. Wir waren wahrscheinlich die Ersten aus Europa, die nach Antalya zu Corendon geflogen sind, um mit der Airline über den Winter 2021 und den Sommer 2022 zu sprechen. Das kam natürlich super an, dass wir trotz Corona, aber natürlich mit Impfung das persönliche Treffen wahrgenommen haben. Da sind wir wirklich gut. Nah am Markt und nah an den Airlines.



Wo muss man künftig noch kürzertreten?
Beim Erwartungsmanagement, dass der Verkehr in zwei Jahren das Vorkrisenniveau erreicht hat. Ich gehe da eher von acht bis neun Jahren aus.

Sie meinen Passagierzahlen von vier Millionen pro Jahr?
Es ist fraglich, ob wir diese Zahl überhaupt wieder erreichen. Das liegt nicht nur an Corona, das ist auch politisch bedingt. Eine Vielzahl von Faktoren wird kurz- oder mittelfristig die Nachfrage verringern. Kurzfristig werden uns die Folgen der Pandemie die nächsten zwölf bis 18 Monate begleiten. Dann kommen wir zu diesem ‚new normal‘. Wir schleppen zum Teil noch heftige Verluste mit, die wir kompensieren müssen. Die Luftsicherheit wird teurer, genauso die Flugsicherung, dann kommt die Co2-Steuer dazu. Letztlich wird sich das in den Flugpreisen niederschlagen. Und steigende Preise ergeben einen Rückgang der Nachfrage.

Das heißt: Fliegen wird teurer?
Es wird in den nächsten Monaten sicherlich einen Konkurrenzkampf hinsichtlich der Preise geben. Dann steigen einige Mitbewerber aus und die Preise steigen.

Wie kann Fliegen in Zukunft umweltfreundlicher werden?
Am Flughafen haben wir schon einiges getan. So sind wir dabei, die Beleuchtung auf LED umzustellen. Unsere Fahrzeugflotte ist schon zum großen Teil strombasiert unterwegs. Wir haben bereits einige Photovoltaikanlagen in Betrieb, es kommen aber noch welche dazu, weil uns eine dezentrale Versorgung wichtig ist, wenn Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Wir haben viele Projekte im Blick und wollen als Branche bis 2050 CO2-neutral werden.



Wie sieht es bei den Flugzeugen aus?
Da müssen die Airlines ihren Teil dazu beitragen. Ein Flugzeug, das jetzt ausgeliefert wird, wird allerdings die nächsten 20 bis 25 Jahre treibstoffbasierend Kohlenstoffwasserketten ausstoßen. Aber die Branche hat gute Perspektiven und Konzepte. Zum Beispiel sollen dem Kerosin nachhaltige, synthetische Kraftstoffe zugefügt werden. Dann werden etwa Flugzeuge konzeptioniert, die mit Wasserstoff betankt werden sollen. Dieser wird in der Turbine verbrannt oder über Brennstoffzellen in Strom umgewandelt und auf Elektromotoren verteilt. Das funktioniert aber eher bei Flugzeugen mittlerer Größe für Reichweiten um die 1000 Kilometer. Und für den ganz kleinen Bedarf gibt es Anbieter wie Lilium oder auch Volocopter, die mit ihren E-Flugzeugen im Bereich mit maximal zehn Passagieren und Reichweiten von rund 200 Kilometern anzusiedeln sind.

Macht Ihnen Ihr Job noch Spaß?
Nachdem wir hier draußen schon wieder Fluggeräusche haben, definitiv. Und weil wir einfach schöne Themen haben wie die neue Art der Mobilität mit dem Lilium-Projekt. Und wir haben noch genügend Potenzial, uns weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit neuen Strecken nach Russland oder Katar.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir eine gewisse Rationalität in der Beurteilung der Verkehrsträger. Denn unsere Effizienz fällt uns immer wieder auf die Füße. Beispiel 3G-Tests, die im Luftverkehr selbstverständlich sind und bei anderen Verkehrsträgern nicht durchgesetzt werden, weil diese es nicht leisten können. Dann das Thema innerdeutscher Verkehr, bei dem wir immer die ,Bad Boys‘ sind, wenn es um den CO2-Ausstoß geht. Dabei spricht keiner darüber, wie viel Co2 bei der Stahl- und Betonerzeugung ausgestoßen wird, zum Beispiel für Bahntrassen. Mehr Rationalität und Ehrlichkeit wären hier gut.

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