Frischer Fisch vom Kutter für fränkische Landratten
6.11.2008, 00:00 UhrEs riecht gelegentlich ein wenig streng in Nürnberg-Gleißbühl, sensiblere Nasen würden auch von «stinken« sprechen beziehungsweise sich rümpfen. Keine Frage, der Geruch von Fisch ist nicht jedermanns Sache. Bernhard Schels dagegen läuft erst zur Hochform auf, wenn eine feine Note Lachs, Thunfisch oder Goldmakrele in der Luft liegt. Der gelernte Fischwerker ist gemeinsam mit seiner Schwester Maren Frey Chef von «Fisch & Meer«. Seit er vor acht Jahren den Betrieb vom Vater übernommen hat, versucht er im Nürnberger Zentrum, den fränkischen Landratten seine geschuppte Ware schmackhaft zu machen.
Am Anfang stand der Kaffee
Durchaus mit Erfolg. Zwischen 350.000 € und 450.000 € erwirtschaften die Geschwister nach eigenen Angaben mit drei weiteren Mitarbeitern im Jahr, Tendenz steigend. Zur Jahrtausendwende war es erst ein Drittel. Rund die Hälfte entfällt auf das Geschäft mit Großabnehmern wie Gaststätten oder Feinkostabteilungen von Kaufhäusern. Ein Viertel des Umsatzes kommt über den Ladenverkauf herein, den Rest steuert der angeschlossene Imbiss bei. Vor allem zur Mittagszeit brummt der Laden.
Angefangen hatte alles allerdings nicht mit Fisch, sondern mit aromatisch duftendem Kaffee. 1869 eröffnete Carl Schels im oberfränkischen Hof eine «Dampfcaffeeroesterei und Malzcaffeefabrik« und brachte fortan Kolonialwaren unters Volk. Sohn Bernhard zog 1907 mit dem Unternehmen nach Nürnberg um. Er sollte es sein, der - frisch zum Kaufmann in Stettin, London und im schottischen Peterhead ausgebildet - eine neue Geschäftsidee an Land zog: Salzfische.
Marktlücke besetzt
Vor allem Klöster fragten das in Süddeutschland bis dahin nur schwer zu organisierende Gut nach, insbesondere in der Fastenzeit. Der Urgroßvater des heutigen Bernhard Schels erkannte und besetzte die Marktlücke beherzt. Seitdem dominiert der Fisch das Sortiment des Familienbetriebs. «Zirka eine Tonne wird hier jede Woche angeliefert«, sagt Schels - Austern aus den Gewässern vor Irland und Schottland, Seelachs aus der Nordsee oder auch Goldmakrelen aus Brasilien und Thunfisch von den Malediven.
Drei bis fünf Tage ist die Ware unterwegs, bis sie den Weg aus dem Meer bis nach Nürnberg zurückgelegt hat. Wer nun an Verleihnix denkt, der seinen Fisch aus dem fernen Lutetia (Paris) importiert, liegt gar nicht so verkehrt. Schon Schels Schulkameraden riefen ihn mit dem Namen jenes gallischen Fischhändlers aus dem Asterix-Dorf. Anders als beim Gallier sei zur Verteidigung des Mittelfranken allerdings gesagt, dass es von Nürnberg aus tatsächlich rund 430 Kilometer bis zur nächsten Küste sind und nicht nur einen Spaziergang zum Strand.
Schwankender Absatz
Frisch sei sein Fisch dennoch, versichert Schels. Bei richtiger Lagerung halte er sich «bis zu zehn Tage«, erklärt der Franke. «Wir legen zudem Wert darauf, dass wir Kutterware bekommen, keine Dampferware.« Ein Kutter laufe binnen eines Tages wieder in den Hafen ein, während ein Dampfer mitunter eine Woche ununterbrochen auf hoher See ist - und der Fisch auf ihm auch.
Dass den Nürnbergern eines Tages der Appetit auf Meer vergeht, fürchtet Schels nicht. Mit einem schwankenden Absatz muss er aber leben. «An Weihnachten und Ostern, da machen wir in zwei Tagen den Umsatz von sonst zwei Monaten.« Doch selbst in Zeiten größter Flaute gebe es immer noch die treuen Stammkunden. «Durchschnittlich isst laut Statistik jeder Bundesbürger alle zwei Wochen frischen Fisch«, weiß Schels, «erklärte Fischliebhaber dagegen alle zwei bis drei Tage.« Denen sei dann nicht so wichtig, was der koste.
Einen Tipp für alle Verbraucher, woran man frischen Fisch erkennt, verrät Schels gerne. «Halten Sie die Nase dran - riecht er nach Meer, ist der Fisch gut.« Sei das Aroma dagegen eher muffig, heiße es: Finger weg. Frischer Fisch im Ganzen sei zudem glitschig-schleimig. «Filet wiederum darf überhaupt nicht schleimig sein.« Wer sich dennoch vergreife, merke das spätestens nach dem Essen: «Stinkt es drei Tage lang und man muss fast neu tapezieren, war die Qualität nicht gut.«