Kostenanstieg wird kommen

Droht jetzt der Heiz-Hammer? Was auf Gas-Kunden in Franken zukommt

22.9.2021, 05:55 Uhr
"Wir erwarten in diesem Herbst eine größere Gaspreiswelle", warnt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.

© Sina Schuldt, dpa "Wir erwarten in diesem Herbst eine größere Gaspreiswelle", warnt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.

Die Großhandelspreise für Erdgas sind seit Monaten auf Höhenflug. Vielerorts bekommen die Verbraucher das bereits zu spüren. Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox haben 32 regionale Gasanbieter für September und Oktober Preiserhöhungen von durchschnittlich 12,6 Prozent angekündigt. Beim Beheizen eines Einfamilienhauses führe das zu Mehrkosten von 188 Euro im Jahr.

"Seit Monaten erleben wir an den Strom- und Gasmärkten einen steilen Preisanstieg – insbesondere an den Spotmärkten, an denen kurzfristig gehandelt wird", bestätigt auch Heiner Kastens, Vertriebsleiter der N-Ergie die aktuelle Situation. Die Nürnberger Aktiengesellschaft beschaffen die Energiemengen für ihre Kundinnen und Kunden zwar vorausschauend und könne Entwicklungen an den Handelsmärkten zu einem gewissen Grad abfedern. "Derartig starke, ja geradezu historische Preisanstiege, wie wir sie im bisherigen Jahresverlauf gesehen haben, kann allerdings niemand auffangen", so Kastens weiter.

Allerdings dürften viele Verbraucher im Herbst von der Preisgarantie ihrer Anbieter profitieren. So teilt die Infra Fürth mit, dass "für unsere Kunden mit zweijähriger Preisgarantie sich hinsichtlich der Gaspreise zum Jahreswechsel nichts ändert". Für alle anderen gehe das Unternehmen davon aus, dass es eine moderate Preiserhöhung geben werde – "aufgrund unserer langfristigen Beschaffungsstrategie können wir die derzeitigen Spitzen am Beschaffungsmarkt für unsere Kunden abfedern", so Infra-Sprecherin Kerstin Sammet.

Ein ähnliches Bild in Erlangen: "Für die Erdgas-Kunden der Erlanger Stadtwerke in den aktuellen Sonderprodukten sowie in der Grundversorgung gelten ebenfalls die veröffentlichten Preise nach jetzigem Stand bis Ende Januar 2022", sagt Claus Göbel auf Nachfrage. Aktuell seien allerdings starke Preissteigerungen auf den Energiemärkten beziehungsweise an den Börsen zu beobachten, so dass nach derzeitiger Einschätzung der ESTW auf jeden Fall entsprechende Preiserhöhungen auf die Endkunden zukommen werden. "Für ESTW-Kunden voraussichtlich ab Februar 2022, für Kunden anderer Anbieter möglicherweise auch zu anderen Zeitpunkten", so der Bereichsleiter Energievertrieb.

Die Nürnberger N-Ergie kalkuliert derzeit ihre Preise für das kommende Jahr. Erschwerend hinzu kommt nach Angaben des Unternehmens die jährlich steigende CO2-Bepreisung für Erdgas, die 2021 eingeführt wurde. "Über Veränderungen informieren wir unsere Kunden in den kommenden Monaten", sagt Kastens.

Im Frühjahr 2020, nach Beginn der Corona-Pandemie, waren die Gaspreise im Keller, Haushalte konnten sich über sinkende Kosten freuen. Doch seit dem vergangenen Winter hat sich das geändert. Die Einfuhrpreise für Erdgas, die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ermittelt werden, sind allein von Januar bis Juli um 42 Prozent gestiegen.

Experten sehen dafür mehrere Gründe. Nach dem Wiederanlaufen der Wirtschaft habe sich die weltweite Nachfrage wieder normalisiert, erläutert Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool. Hinzu kommt, dass die Gasspeicher in Europa nach dem vergleichsweise kalten Winter 2020/21 noch nicht wieder komplett aufgefüllt sind. In Deutschland sind sie aktuell zu weniger als zwei Drittel gefüllt, wie auf der Datenplattform der Betreiber zu sehen ist.

Die über ganz Deutschland verteilten unterirdischen Speicher gleichen vor allem im Winter Verbrauchsspitzen aus. An kalten Tagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus inländischen Speichern abgedeckt, heißt es beim Branchenverband Initiative Erdgasspeicher.

Warum in den Speichern derzeit weniger Gas ist als üblich, lässt sich nicht eindeutig sagen. Ausfälle und Wartungsarbeiten an der Gas-Infrastruktur in Europa hätten zur Folge gehabt, "dass die Gasspeicher nicht so stark wie sonst üblich über den Sommer gefüllt werden konnten", sagt Eren Çam vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln. Der Essener Energiekonzern RWE verweist zudem auf das Auslaufen der Erdgasproduktion in den Niederlanden.

Auch der derzeit hohe Preis könnte eine Rolle spielen, weil die Unternehmen sich scheuen, zu viel teures Gas vorrätig zu halten. So hätten "die Annahmen des Marktes zur weiteren Entwicklung der Preise dazu geführt, dass in der bisherigen Einspeisesaison weniger Gas eingelagert wurde", sagt ein Sprecher des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper, der über die größte Speicherkapazität in Deutschland verfügt, die derzeit zu etwa 88 Prozent gefüllt ist.

Droht Deutschland ein Gasmangel im Winter? Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, hält das für möglich: "Wenn es richtig kalt wird im Februar, wichtige Speicher leer sind und Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen wurde, können regional Engpässe auftreten. Dann bleiben Wohnungen kalt und Gaskraftwerke müssen abgeschaltet werden", befürchtet der Politiker.

Auch der Speicher-Branchenverband warnt. "Wenn die Gasspeicher nicht ausreichend befüllt sind, kann es zu Zeiten hoher Nachfrage zu Gas-Versorgungsunterbrechungen kommen", sagt Geschäftsführer Sebastian Bleschke. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe allerdings keine Gefahr einer Versorgungslücke.

Bei den Preisen gibt es für die Verbraucher keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil: "Wir erwarten in diesem Herbst eine größere Gaspreiswelle", sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Auch Check24-Geschäftsführer Steffen Suttner rechnet in diesem Winter mit weiteren Gaspreiserhöhungen. Daran sei "nicht zuletzt die steigende CO2-Abgabe schuld". Der CO2-Preis im Verkehr und fürs Heizen beträgt derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 und steigt mit dem Jahreswechsel auf 30 Euro. Der Verbraucherzentrale Bundesverband forderte unterdessen, die Einnahmen aus dem CO2-Preis auf Öl und Gas vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuerstatten.

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