Helfen, das Leben zu erleichtern

22.6.2013, 00:00 Uhr
Helfen, das Leben zu erleichtern

© Tanja Toplak

Konzentriert wird gearbeitet in den Orthopädischen Werkstätten Rummelsberg. An der Trichterschleifmaschine steht David Pförtner mit einer Orthese, einem Korsett, das seinen letzten Schliff bekommt – passgenau für den Patienten, der es bald tragen wird. David ist im ersten Ausbildungsjahr. Er lernt den Beruf des Orthopädiemechanikers/Bandagisten.

„Ich habe bei einem Praktikum gemerkt, wie viel Spaß mir das macht“, erklärt der 16-Jährige. „Die Tätigkeit ist abwechslungsreich. Auf der einen Seite erfährt man alles über die Anatomie des Menschen, auf der anderen Seite gießt man etwa Harz. Und dann kommt der Kontakt mit Menschen dazu.“ Den möchten auch Davids Kollegen Tobias Ulherr, 17, und Augusto Hiller-Cambambi, 27, nicht missen. Sie sind im zweiten Ausbildungsjahr und dürfen zwar wie David noch nicht direkt mit Kunden arbeiten, sind aber ab und zu dabei, wenn eine Prothese angelegt wird. Sie besuchen außerdem Patienten im Krankenhaus Rummelsberg, um einfache Orthesen zu liefern, die Rumpf, Arme oder Beine stützen sollen.

„Ich merke manchmal richtig, wie ein Patient sich freut, weil ich ihm etwas geben kann, das ihm das Leben erleichtert“, sagt Augusto. Er ist gelernter Orthopädieschuhmacher und absolviert nun seine zweite Ausbildung. Augusto, gebürtiger Angolaner, kam mit 14 Jahren nach Deutschland. Er hat dort den Bürgerkrieg mit all seinem Elend erlebt. Später will er in seine Heimat zurück, um dort den Menschen zu helfen. „Meine Sehnsucht ist groß, trotzdem möchte ich nach meiner Abschlussprüfung erst noch etwas Berufserfahrung sammeln, bis ich zurückkehre“, sagt er.

Andreas Rieppel, Orthopädietechnik-Meister und Leiter der Werkstatt unterstützt ihn. „Die Rummelsberger fördern das Projekt ‚Feuerkinder‘ in Tansania. Ein Team von Fachärzten, Therapeuten und Pflegern fliegt einmal jährlich dorthin, um Kinder und Jugendliche mit orthopädischen Leiden zu behandeln. Ich weiß also, worum es geht, und finde Augustos Plan super.“

Aller Anfang ist mühsam

Doch in der Werkstatt ist aller Anfang erst einmal mühsam. Die Auszubildenden üben unter anderem zunächst, wie Gips ausgegossen, tiefgezogen und mit Kunststoff überzogen wird. Dann muss die Orthese geschliffen werden. Erst in den letzten 18 Monaten der Ausbildung dürfen die angehenden Orthopädiemechaniker Orthesen oder Prothesen beim Patienten anlegen. Dass man sich bis dahin gedulden müsse, sei gut, betont Tobias. „Schließlich möchte man ja kompetent sein.“ Außerdem arbeitet der 17-Jährige gerne mit verschiedenen Materialien. „Ich bin ein Handwerker“, bringt er es unter Zustimmung seiner Kollegen auf den Punkt.

Orthopädiemechaniker/Bandagisten stellen auf ärztliche Anordnung Prothesen, wie computergestützte Kniegelenke oder Arm- und Beinprothesen, sowie Orthesen zur Unterstützung, Entlastung und Korrektur von Gliedmaßen oder dem Rumpf her. Sie beraten Kunden bei der Wahl des passenden Hilfsmittels, nehmen Maß, fertigen Konstruktionszeichnungen an und bauen Modelle. „Der eine möchte eine Orthese mehr gepolstert und geschlossen, ein anderer will sie offen“, erläutert Rieppel. „Mancher will das Hilfsmittel, etwa eine Orthese, schon vor einer Operation haben.“ Die Orthopädiemechaniker/Bandagisten sind es auch, die die Patienten in die Nutzung einweisen.

Andreas Rieppel hat für sich eine einfache Methode gefunden, ob ein Bewerber oder eine Bewerberin für diese Tätigkeit geeignet ist: „Bevor er oder sie in die nähere Auswahl kommt, gibt es ein dreitägiges Praktikum, in dem wir auch praktische Aufgaben stellen. Wenn die jungen Leute sie lösen wollen, müssen sie Fragen stellen, da ihnen der Hintergrund fehlt. So kann man sehr schnell feststellen, ob sie Geschick haben und wie sie mit anderen kommunizieren.“

Voraussetzungen, die junge Leute außerdem mitbringen sollten, sind laut Rieppel, der qualifizierende Hauptschulabschluss oder besser mittlere Reife, gute Noten in Mathematik und Physik wegen der technischen Arbeiten, aber natürlich auch in Biologie und anderen Lernfächern, denn es muss viel Stoff gepaukt werden während der dreieinhalbjährigen, dualen Ausbildung. Ab September bekommt diese jedoch einen anderen Namen: Orthopädietechnik/Mechaniker/in und wird um ein halbes auf drei Jahre bei gleichen Inhalten verkürzt. Die Ausbildungsvergütung beträgt im Augenblick im ersten Jahr 560 Euro, im zweiten 625, im dritten 700 und im vierten 800 Euro.

„Orthopädietechnik/Mechaniker und Mechanikerinnen sind gesucht“, bekräftigt Rieppel, und Augusto fügt hinzu: „Es handelt sich um einen Beruf, der auch in Zukunft gefragt ist, denn Verletzungen wird es immer geben. Trotzdem: Es ist doch wunderbar, wenn man Menschen ein neues Lebensgefühl vermitteln, ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann.“

Weitere Infos zum Beruf:

Andreas Rieppel,
09128/50-3468; E-Mail: rieppel.andreas@rummelsberger.net

www.arbeitsagentur.de (Berufenet)
oder Arbeitsagentur Richard-Wagner-Platz, 5 0911/529-0



 

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