"Hort der Stabilität"

19.10.2017, 19:48 Uhr

© Foto: Eduard Weigert

COBURG — Wenn sich eine Branche zu einem Treffen zusammenfindet, dann kommt es schon mal vor, dass man sich gegenseitig auf die Schultern klopft. Auf dem Nordbayerischen Versicherungstag in Coburg war das in diesem Jahr besonders deutlich zu bemerken. Vor allem bei zwei Dingen waren sich die Vertreter des Wirtschaftszweiges, der für Schutz und Vorsorge im Lande zuständig ist, einig.

Erstens: Die Assekuranzen sind unschuldig. Nicht sie seien es gewesen, die die Finanzkrise vor zehn Jahren ausgelöst haben, unter deren Folgen sie aber besonders litten. Denn der dauerhafte Niedrigzins der Europäischen Zentralbank mache auch ihnen zu schaffen.

Zweitens: Die Versicherer in Deutschland sind schon ziemlich großartig. Gerade im Vergleich zu den Banken seien sie ein "Hort der Stabilität", wie Michael Niebler meint, seines Zeichens Vorstandsmitglied im Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen AGV. 300 000 Beschäftigte zähle die Branche bundesweit, betriebsbedingte Kündigungen seien auf einem "konkurrenzlos" niedrigen Niveau, die Gehälter dafür umso höher. Unter 341 Berufen belegen die Versicherungskaufleute Platz zwei auf der Einkommensskala, so Niebler.

Doch auch Niebler räumt ein: "Wir stehen vor großen Herausforderungen." Die Digitalisierung, die ein immer schnelleres Reagieren auf Kundenanfragen erfordere, sei eine davon. Und sie werde unter dem Strich mehr Stellen kosten als dass neue geschaffen werden.

Unterdessen haben die Versicherer aktuell ein weiteres Problem: Die Ankündigung einiger Anbieter, Lebensversicherungsverträge ihrer Kunden an Investoren weiterzureichen oder zumindest in eine sogenannte Run-Off-Gesellschaft zu verlagern, beschädigt das Vertrauen der Kunden in die Zuverlässigkeit der Gesellschaften. Die Branche werde in der Öffentlichkeit als Einheit wahrgenommen, also hätten nun alle ein Imageproblem, wie Armin Zitzmann, Vorstandschef der Nürnberger Versicherung, feststellt — selbst wenn sie gar nicht betroffen seien.

Bekenntnis zur Lebenspolice

Sehr ärgerlich findet das auch Michael Baulig, Vorstandssprecher der Universa Versicherung mit Sitz in Nürnberg. Für sein Haus schließt er eine Weitergabe der Lebensversicherungsverträge aus: "Das würde völlig unserem Geschäftsprinzip widersprechen, wir wollen unsere Kunden ein Leben lang begleiten." Lebensversicherungen seien nach den Krankenversicherungen der zweitgrößte Bereich des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, der keine Aktionärsinteressen bedienen müsse, und blieben auch künftig wichtig. Die Niedrigzinsphase stehe die Universa durch, so Baulig.

Auch für Nürnberger-Chef Zitzmann "verbietet sich der Verkauf des Lebensgeschäftes". Bei einem Anteil von 75 Prozent an den gesamten Beitragseinnahmen käme dies "Selbstmord aus Angst vor dem Tod" gleich. Sein Haus sei durch ein breit gestreutes Anlageportfolio solide aufgestellt. Die niedrigen Zinsen seien misslich, aber bei weitem kein existenzielles Problem — zumal die Rendite bei den neuen Lebensversicherungsverträgen meistens an die Entwicklung des Kapitalmarktes geknüpft sei.

Sowohl Zitzmann als auch Baulig sehen nun vor allem eines auf sich und ihre Teams zukommen: mehr Aufwand. Sie müssten schließlich erklären, dass sich ihre Kunden keine Sorgen zu machen bräuchten.

Mehr Erklärungen und Transparenz bei Versicherungen wünscht sich auch Annabel Oelmann. Die Kunden müssten wissen, was sie wofür bezahlen, betont die Chefin der Verbraucherzentrale Bremen. Auch die Vermittlung eines Produktes dürfe etwas kosten, das müsse den Kunden aber bewusst sein, so Oelmann. Damit ist für sie das Honorarberatungsmodell nicht das einzig Wahre. Auch die herkömmliche, auf Provisionen gestützte Variante habe ihre Berechtigung. Gerade Geringverdiener würden vor den einmaligen Honorarkosten zurückschrecken.

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