Immer mehr Nürnberger haben unsichere Jobs

5.8.2018, 05:28 Uhr
Prekäre Beschäftigung ist auch in der Baubranche ein Thema.

© Britta Pedersen, dpa Prekäre Beschäftigung ist auch in der Baubranche ein Thema.

Die Situation am Arbeitsmarkt ist für eine bestimmte Gruppe von Jobsuchenden angespannt: Laut aktuellen Zahlen des DGB Mittelfranken wird es nicht nur bundesweit, sondern auch in Nürnberg immer schwieriger, sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen zu bekommen, atypische Beschäftigung nimmt zu: In Nürnberg liegt dieser Anteil (gemessen an allen Beschäftigungsverhältnissen) bei 38,1 Prozent, in Erlangen bei 36,4 und in Fürth bei 36,8 Prozent. Die drei mittelfränkischen Städte liegen damit leicht unter dem bayernweiten Schnitt von 38,3 Prozent.

Betroffen davon sind vor allem Handel, Gastronomie, Bau, Pflege, Gebäudereinigung oder auch die Weiterbildungsbranche. Die jeweiligen Gewerkschaften schlagen Alarm. "Wir haben viele Verträge mit 20 bis 30 Stunden. Die Leute gehen dann mit 800 bis 1200 Euro pro Monat nach Hause", erklärt Regina Schleser, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Nürnberg-Fürth. Kellner, Köche oder Bedienungen hätten zudem teilweise keine Arbeitsverträge. Und daher sei es für die Betroffenen schwierig, sich zu wehren. "Aus diesem Grund wenden sich leider nur wenige an uns, und wir bekommen nur die Spitze des Eisbergs mit", sagt Schleser.

Auch Hans Beer, Regionalleiter der IG Bau Franken, kennt dieses Problem. Und - genau wie seine Kollegin Schleser - ist auch er mit den Arbeitsbedingungen in seiner Branche unzufrieden. Beer kritisiert vor allem die fehlenden Kontrollen des vorgeschriebenen Mindestlohns. "6500 Zollbeamte sollen bundesweit prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben bei 44 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten eingehalten werden. Das reicht bei weitem nicht aus. Da wird jeder in hundert Jahren einmal kontrolliert", sagt Beer, der sich auch darüber ärgert, dass am Bau Leiharbeit zwar verboten ist, aber oft Werkverträge vergeben werden. Arbeiten werden von Subunternehmen ausgeführt. "Das ist versteckte Leiharbeit", kritisiert Beer, zu dessen Bereich auch die Gebäudereinigung gehört.

Druck nimmt zu

Und auch hier läuft nicht alles perfekt. Der Gewerkschafter klagt vor allem über zunehmenden Druck. "Für 320 Quadratmeter haben Reinigungskräfte eine Stunde Zeit, das heißt dreimal eine 60 Quadratmeter Wohnung putzen in 60 Minuten. Dass da der Schmutz nur verteilt wird, ist doch klar", beschreibt er die aktuelle Situation. Problem ist, dass in dieser Branche viele Minijobber arbeiten und nur 450 Euro verdienen dürfen. Die Stundenzahl richtet sich nach dem Stundenlohn, tariflich liegt dieser bei mindestens 10,30 Euro. "Steigt dieser, dann müssen Minijobber die Anzahl der Stunden reduzieren, die Anforderungen bleiben aber gleich, es muss also noch mehr Fläche pro Stunde geputzt werden", verdeutlicht Beer.

Egal ob Leiharbeiter, Minijobber oder Teilzeitkraft: Atypische Beschäftigungsverhältnisse, die oft auch prekär sind, wirken sich laut DGB für viele Betroffene negativ aus. Das Einkommen reiche meist nicht zum Leben, arbeits- und sozialrechtliche Standards würden unterschritten, dazu komme, dass Mitarbeiter häufig unzufrieden sind. Stephan Doll, Regionalgeschäftsführer der DGB Mittelfranken, schätzt, dass ein Großteil freiwillig solche Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren würde.

Unzufriedenheit ist häufig auch bei Leuten, die im Bereich Erziehung- und Wissenschaft tätig sind, zu spüren. "Die Anzahl der Honorarkräfte in diesem Bereich ist geschätzt mindestens zehnmal so hoch wie die Anzahl der Festangestellten", sagt Friedrich Sendelbeck, der Kreisvorsitzende dieser Gewerkschaft. Honorarkräfte würden teilweise für einen Nettolohn von sechs bis acht Euro pro Stunde arbeiten. "Davon kann man nicht leben", sagt Sendelbeck. Doll ergänzt: "Die Gesellschaft wird gespalten, Menschen sind verunsichert, es fehlt Anerkennung." Daher fordert der DGB mehr soziale Gerechtigkeit und weniger prekäre Beschäftigung.

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