Immer schön auffallen: Zirkusbranche kämpft

22.6.2011, 05:00 Uhr
Immer schön auffallen: Zirkusbranche kämpft

Für Zeus und seine Kumpel Boreas und Helios ist es eine der leichteren Übungen: Staub aufwirbeln, das erledigen die Friesen-Hengste des Zirkus Charles Knie so nebenbei. Elegant traben die Pferde durch den Sand der Arena, das Licht setzt ihr samtschwarzes Fell in Szene, der dauergewellte Schweif steht im Wind. Kinderaugen leuchten — und manch ein Vater im Publikum stellt sich gedanklich schon mal auf die nächste „Papa-ich-will-ein-Pferd“-Debatte zurück im heimischen Wohnzimmer ein.

Staub aufwirbeln, das zählt aber auch zu den Königsdisziplinen von Sascha Melnjak, Geschäftsführer und damit Chef bei Charles Knie. „Die große Zeit des Zirkus‘ waren die 60er- und 70er-Jahre“, erzählt der 36-Jährige. Damals klang schon das Wort nach Abenteuer, Nervenkitzel, Exotik. Das ist vorbei. Heute, wo jeder zweitklassige Baumarkt zur Eröffnung Feuerwerk und Feuerschlucker auffährt, tut sich der klassische Zirkus schwer, überhaupt noch aufzufallen. Wer da nicht kräftig auf den Putz haut, eben ordentlich Staub aufwirbelt, braucht eigentlich gar nicht mehr anzufangen.

92 Mitarbeiter aus 13 Ländern reisen mit Melnjak und seinem Zirkus durch das Land. Näher und Fuhrpark-Chef, Logistiker und Sattler, den Großteil des fahrenden Volks bekommt das Publikum dabei nie zu sehen. Zwei bis drei Jahre im Voraus laufen die Planungen für ein Programm, und wenn die Clowns, Trapezkünstler und Raubtier-Dompteure endlich in eine der bis zu 50 Städte pro acht Monate dauernder Saison kommen, sind die ersten ihrer Kollegen schon wieder weg. Acht Plakatierer reisen dem Tross immer ein paar Wochen voraus, haben allein in Nürnberg 6000 Schilder aufgehängt. „Es ist schwer geworden, die Leute zu überzeugen, dass es noch immer gute Zirkusse gibt“, sagt Melnjak.

Etwa 250 Betriebe groß ist die Branche in Deutschland aktuell. Viele große Namen wie Barum haben in den vergangenen Jahren bereits aufgeben müssen oder konzentrieren sich wie Sarrasani jetzt auf andere Geschäftsmodelle. Bisher hat es der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann Melnjak trotzdem nicht bereut, 2007 das Unternehmen von Namensgeber Charles Knie übernommen zu haben. Schon während seiner Schulzeit in Stuttgart hat er — wann immer möglich — im Zirkus gejobbt. „Diese Glitzerwelt, die Leute für zweieinhalb Stunden zu entführen, das ist spannend.“

„Verpackung muss stimmen“

Neues Zelt, Live-Musik, andere Raubtiernummer: Melnjak hat in seiner Zeit als Chef kräftig investiert. „Die Verpackung muss stimmen“, erklärt er, die Zuschauer seien das aus dem Fernsehen so gewöhnt. „Beispiel Licht: Wir haben Laser, Kunstnebel und Showeffekte. Früher gab’s zwei Schweinwerfer und gut war’s.“

1400 Zuschauer passen in das Zelt, 1000 Gäste müssen pro Tag zu den zwei Vorstellungen kommen, damit sich der Auftritt lohnt. „Zurzeit läuft es ganz gut“, sagt der Geschäftsführer. Der Jahresumsatz liege im hohen einstelligen Millionenbereich. „Wir finanzieren uns natürlich vor allem über die Eintrittskarten.“ Immer wichtiger werde aber das Geschäft mit Popcorn, Brezen oder Sekt in der Pause — und sogar der Gang zur Toilette spült jedes Mal 30 Cent in die Kasse. Dazu kommen Sondervorstellungen für Firmenkunden.

„Man lebt mit dem Ziel, den Leuten eine gute Show zu bieten“, beschreibt Melnjak seinen Antrieb. „Nur selber entspannen: Das kann man im Zirkus praktisch nie.“