Experte aus Hof über Chancen und Gefahren

Jung und risikobereit: Darum nutzen vor allem Männer Trading-Apps

2.7.2021, 11:51 Uhr
Eine der bekanntesten Trading-Apps: Robinhood. 

© Patrick Sison, dpa Eine der bekanntesten Trading-Apps: Robinhood. 

Herr Professor Meuche, im Januar hat die Welt ungläubig gestaunt über den Fall GameStop. Eine Schar von Kleinanlegern hievte über Trading-Apps die GameStop-Aktie in ungeahnte Höhen und verhagelte damit großen Fonds das Geschäft, die auf den Absturz der Aktie gesetzt hatten. Waren Sie von dem Phänomen überrascht?

Es war für mich insofern erstaunlich, weil das kein rationales Verhalten war: Da haben sich Freiwillige zusammengeschlossen, um ein Unternehmen vor bösen Hedgefonds zu schützen, obwohl die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells von GameStop sehr fraglich ist. Da sind wir aber schon direkt im Thema: Die Altersgruppe, die Trading-Apps nutzt, handelt anders als andere Kleinanleger.

Thomas Meuche ist Professor an der Hochschule Hof. Seine Schwerpunkte sind Betriebswirtschaft und Finanzen.

Thomas Meuche ist Professor an der Hochschule Hof. Seine Schwerpunkte sind Betriebswirtschaft und Finanzen. © Hochschule Hof

Inwiefern?

In der Regel investieren die jungen Nutzer der Trading-Apps ihr Geld nicht in langweilige Konzerne wie die Post oder die Telekom, sondern in trendige Unternehmen wie Tesla oder Delivery Hero. Der Lieferdienst Delivery Hero hat noch nicht einen Cent verdient – und es stellt sich die Frage, ob das Geschäft nach Corona noch so funktioniert, wenn die Menschen lieber in den Biergarten gehen als sich Essen nachhause liefern zu lassen. Mich erinnert das Phänomen an die Dotcom-Blase 2001, als viel Geld in Technologieunternehmen investiert wurde. Das habe ich damals auch bei meinen Studierenden erlebt: Da wurde nur noch über Gewinne geredet, Verluste gab es scheinbar nie.

Über Trading-Apps lassen sich Aktien kaufen und verkaufen. Was unterscheidet sie von den klassischen Angeboten von Banken?

Diese Apps sehen von der Aufmachung eher aus wie Smartphone-Spiele - damit sprechen sie besonders Jüngere an. Außerdem sind die Gebühren für das Handeln sehr günstig, wodurch auch der Preisdruck auf die klassischen Anbieter steigt. Dadurch könnte der Wertpapierhandel für Kleinanleger insgesamt attraktiver werden. Das sind also echte Vorteile.

Wer nutzt denn eigentlich Trading-Apps?

Der klassische Kunde ist männlich und irgendwo zwischen 18 und 30 Jahre alt. Das lässt sich durchaus biologisch erklären, weil die Risikobereitschaft in dieser Zeit am höchsten ist – was sich zum Beispiel in der Unfallstatistik zeigt. Männer sind auch aktienaffiner als Frauen, die eher auf sichere Anlagen setzen. Wenn man sich die Zahl der Nutzer und das investierte Kapital ansieht, haben die meisten in der Größenordnung zwischen 2000 bis 4000 Euro investiert. Wenn sich jemand also einmal die Finger verbrennt, sind die Auswirkungen – in der Regel – begrenzt, und es hat womöglich einen Lerneffekt.

Mit ein paar Fingerstrichen auf dem Smartphone Hunderte Euro anlegen – schützen die Apps ihre Nutzer eigentlich genug?

Die Anbieter der Apps sind reine Broker, bieten also keine Beratung an – und damit gibt es weniger Schranken, die einen Anleger schützen können. Brauchen wir also mehr Regulierung? Ich bin da in Deutschland immer sehr zögerlich, wenn ich mir ansehe, was der Verbraucherschutz bei Banken angerichtet hat. Denn welchen Nutzen haben denn die Beratungsprotokolle, die Kunden nach ihrem Gespräch unterschreiben müssen? Der einzige Nutzen ist, dass die Bank abgesichert ist. Wir wollen in Deutschland alles bis zum Umfallen regeln und glauben, damit jedes Risiko eliminieren zu können – das wird aber nicht funktionieren.

Die Deutschen haben seit jeher eine Scheu vor Aktien. Können die Trading-Apps das ändern?

Bereits im vergangenen Jahr hat sich der Aktienhandel in Deutschland rasant entwickelt. Das hat aber weniger mit den Trading-Apps zu tun, denn die spielen hierzulande noch eine relativ kleine Rolle, sondern mit der Erkenntnis, dass andere Anlagen in der Niedrigzins-Phase immer weniger abwerfen. Die Trading-Apps ermöglichen es aber gerade jungen Menschen, mit wenig Geld einzusteigen und leisten dadurch einen Beitrag, sich mit dem Thema Geldanlage auseinanderzusetzen – das eigentlich nur gut sein. Zumal wir in unserer Gesellschaft allgemein und natürlich auch bei Jugendlichen ein vollkommen unzureichendes Finanzwissen haben – an den Schulen passiert gar nichts dazu.

Welchen Rat geben Sie Neueinsteigern?

Bevor jemand eine Aktie kauft, sollte er sich einfach mal ansehen, was das Unternehmen überhaupt macht und sich fragen: Kann dieses Geschäftsmodell funktionieren? Halte ich es für tragfähig? Dafür muss ich keine Jahresabschlüsse analysieren – es reicht der gesunde Menschenverstand.

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