Kinder lieben sie, aber: Experten warnen vor Quetschis

19.7.2019, 17:37 Uhr
Kinder lieben sie, aber: Experten warnen vor Quetschis

© Foto: Bodo Marks/dpa

Der Boom um die Quetschis hält seit Jahren an. Jetzt aber rufen Experten: "Stopp!" Entgegen ihrem äußeren Anschein seien Quetschies weder sonderlich gut für die Gesundheit noch für die Umwelt. Eher im Gegenteil, warnt eine breite Front aus Verbraucherschützern, Ökoaktivisten und Ernährungsexperten. Eine Online-Petition auf www.change.org (Stichwort: "#stopptquetschies"), die speziell Alnatura und dm-Drogeriemarkt auffordert, diese Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, zählte Freitagnachmittag rund 60.000 Unterstützer.

Mehr Zucker als ein Fruchtzwerg

Katja Wittmann, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Nürnberg, stört vor allem, dass die meisten Quetschies schon von ihrer Aufmachung her gezielt Kinderherzen verführen wollten. "Eltern, die dem Quengeln nachgeben, tun ihren Kindern aber nichts Gutes, obwohl sie oft dieses Gefühl haben."

Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Test der Zeitschrift Öko-Test. In fast allen der 15 Quetschies fand sich, gerechnet auf 100 Gramm, mehr Zucker als in einem Fruchtzwerg, in einem sogar so viel wie in einer kleinen Fanta. Da ein Apfel oder eine Birne von Natur aus so süß gar nicht seien, würden viele Hersteller beispielsweise mit Traubensaftkonzentrat nachhelfen.

Die Produkte sollten eher als Süßigkeit angesehen werden, urteilen die Tester. Durch das Nuckeln des Breis und dessen hohen Säureanteils bestehe außerdem gerade bei Kinderzähnen erhöhte Kariesgefahr. Was Wittmann von der VZ Nürnberg unterstreicht und ergänzt: "Auch für das Training der Geschmacksnerven, die Sprachentwicklung und den Aufbau der Kaumuskulatur sind Quetschies schädlich."

"Nicht zu recyceln"

Die Ernährungsexpertin rät, den Kindern ganz normales Obst zum Naschen zu geben. Was ebenso Umweltaktivisten fordern, denen es angesichts der Müllberge graust, die die ebenso schnell ausgequetschten wie weggeworfenen Verpackungen anhäufen. Diese bestünden aus einem Verbund von Plastik und Aluminium, "das nicht recycelt werden kann", klagt etwa die Deutsche Umwelthilfe in der Begründung ihrer Online-Petition.

Bewusst haben sich deren Initiatoren ausgerechnet dm und Alnatura als erste Adressaten für ihre Kritik ausgesucht, pflegen diese beiden doch selbstbewusst ihr Image als besonders gesundheits- und umweltbewusste Händler auf dem Markt. Wie das zu Quetschies passt, dazu war von dm zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.

Schlecht für die Entwicklung des Kindes

Alnatura dagegen stellt sich – und aus der Antwort spricht zumindest ein leicht schlechtes Gewissen. "Wir halten es für wichtig, dass Kinder Lebensmittel in ihrer natürlichen Form und mit allen ihren Sinnen erleben können: also sehen, riechen und schmecken. Dies ist bei Obst oder Gemüse in Quetschbeuteln nicht möglich", räumt eine Sprecherin ein. Deshalb gebe es unter der Eigenmarke "Alnatura" diese auch nicht.

Bio-Quetschies anderer Hersteller biete man zwar an. Aber nur, weil diese bei Eltern eben sehr beliebt seien. Zu Deutsch: weil sie aktuell ein gutes Geschäft sind. In Sachen Ökobilanz tritt die Alnatura-Sprecherin zudem zur Ehrenrettung an: Da seien die Quetsch-Verpackungen über dem gesamten Lebenszyklus gesehen sogar besser als Obstbrei aus dem Einweggläschen.

Für die Kritiker indes ändert das an ihrem Gesamturteil nichts. Schlecht für die Entwicklung und Gesundheit eines Kindes, eine frühe Prägung auf eine Wegwerf-Mentalität, zusätzlicher Alu-Plastik-Müll, dazu auch höhere Kosten im Vergleich zum Kauf von regulärem Obst: "Quetschies sollte es höchstens mal als Ausnahme geben. Ansonsten gilt Finger weg", rät Wittmann.

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