Kommentar: "Recht auf Vergessen"? Können Sie vergessen. Zum Glück.

27.7.2020, 15:08 Uhr
"Recht auf Vergessenwerden" ist vom Einzelfall abhängig. Das öffentliche Interesse an den verlinkten Informationen sei genau so maßgeblich wie die Rechte des Betroffenen. Das hat der BGH heute in Karlsruhe entschieden.

© Uli Deck, dpa "Recht auf Vergessenwerden" ist vom Einzelfall abhängig. Das öffentliche Interesse an den verlinkten Informationen sei genau so maßgeblich wie die Rechte des Betroffenen. Das hat der BGH heute in Karlsruhe entschieden.

Es kommt also darauf an. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Umgang mit alten Informationen, die über jeden von uns – Sie und mich eingeschlossen – auch viele Sommer später noch im Internet zu ergoogeln sind, liest sich auf den ersten Blick wie eine Enttäuschung. Das Gegenteil ist Fall.

Zwei konkrete Vorgänge hatten die Richter vorgelegt bekommen. So richtig entscheiden aber konnten oder wollten sie sich nicht. Dabei ist die Frage brisant und drängt eigentlich auf eine eindeutige Klärung. Wir alle kennen schließlich den Spruch: Das Internet vergisst nichts. Und dafür ist das peinliche Foto vom Schulabschlussball noch eines der harmloseren Beispiele.

Doch zu welch anderem Ergebnis hätte der BGH auch kommen sollen? Die Kollision der verschiedenen Persönlichkeitsrechte ist offensichtlich – und keines davon ist einfach so vom Tisch zu wischen.

Nur mal angenommen, die Richter hätten sich tatsächlich dazu durchgerungen, jedem Menschen beispielsweise die alleinige Entscheidungsfreiheit über die von ihm je veröffentlichen Informationen im Internet zuzusprechen. Was aber, wenn ein Vorgang nicht nur eine Person, sondern mehrere tangiert – und sie diesen unterschiedlich bewerten? Sagen wir, vermeintliche Täter und/oder vermeintliche Opfer? Oder was ist mit dem Recht einer Gesellschaft auf Informationen zu gesellschaftlichen Ereignissen, auch wenn dabei nicht jede Einzelperson gut wegkommt?

Die pauschale Forderung nach einem „Recht auf Vergessen“ klingt gut. Es braucht aber nur wenig Fantasie, um sich auszumalen, wie schnell es in der Praxis eher noch mehr neue Probleme verursachen würde, als es alte zu lösen verspricht. Dafür ist die Lebensrealität zu komplex.

Um nicht missverstanden zu werden: Das heißt nicht, dass es nicht sehr wohl Fälle geben kann, an deren Ende etwa Google richterlich dazu verdonnert wird, ein bestimmtes Suchergebnis nicht mehr anzuzeigen. Aber für ein solches Urteil muss eben stets der jeweilige Einzelfall gewürdigt werden. Es ist nicht leicht, aber: Es kommt halt darauf an.

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