"Mein Kapitalmarkt liegt 50 Meter entfernt im Eckbüro"

7.12.2016, 11:12 Uhr

In diesem Satz steckt vieles, was Schaeffler ausmacht: "Mein Kapitalmarkt liegt 50 Meter weiter entfernt im Eckbüro." Klaus Rosenfeld führt einen Konzern, der Familienunternehmen und zugleich börsennotiert ist. Um sich frisches Kapital zu besorgen, musste der Autozulieferer Transparenz beweisen, allerdings unter der Vorgabe der Familie Georg und Maria-Elisabeth Schaeffler, niemals die Kontrolle aus der Hand zu geben. Und so geschah es, die Familienholding hat die Mehrheit der Stimmrechte.

Vor Investoren aus China gefeit

Das meint der 50-Jährige damit, dass der Kapitalmarkt im Nebenbüro sitzt — und abends anruft, wenn mal "Mist" gelaufen ist. Die Familie als starker Ankeraktionär, das bedeutet auch, dass Schaeffler nicht passieren kann, was Osram oder Kuka erleben: Ausländische Investoren strecken ihre Hand nach deutschen Firmen aus. Rosenfeld: "Wir lassen uns die Kontrolle nicht aus der Hand nehmen."

Dabei ist Schaeffler selbst gewachsen durch Akquisitionen. FAG ist eine dieser Übernahmen, Continental jedoch diejenige, die den Herzogenaurachern fast das Genick gebrochen hätte. Jawohl, sagt Rosenfeld. "Im März 2009 waren wir vom Gang zum Insolvenzgericht nur ein paar Tage entfernt. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände." Von einer feindlichen Übernahme der Hannoveraner kann aus seiner Sicht überhaupt keine Rede sein.

Obwohl Schaeffler nur eine qualifizierte Mehrheit wollte, wurde das Aktienangebot wegen der zwischenzeitlichen Lehman-Pleite samt der daraus folgenden Börseneinbrüche so attraktiv für die Conti-Aktionäre, dass fast alle zugriffen und Schaeffler ungewollt 90 Prozent der Anteile besaß. Der Schuldenberg häufte sich 2009 auf zwölf Mrd. Euro. Als Retter in der Not kam der Dresdner-Banker Rosenfeld, der, wie er erzählt, all das draufhatte, was die Patriarchin Schaeffler brauchte — strategisches Denken, aber vor allem die Erfahrung und das Geschick, mit kritischen Kreditgeschäften umzugehen. Bis heute schmolz die Schuldenlast auf die Hälfte, "die Finanzqualität ist wunderbar". Conti gehört nicht direkt zur Schaeffler AG , sondern der Familienholding, weil "den Finanzmärkten verschachtelte Strukturen schwer zu vermitteln sind".

Im Rückblick jedoch wertet Rosenfeld den strategischen Schachzug nach wie vor als richtig, ging es doch darum, Mechanik von Schaeffler und Elektronik von Conti zusammenzuführen. Schaeffler war länger schon interessiert gewesen an VDO, doch bei diesem Siemens-Bereich war Conti schneller gewesen und hatte den Elektronikhersteller weggeschnappt. Also nahmen die Herzogenauracher Conti samt VDO aufs Korn.

Die damaligen Anfeindungen gegen die "Hasardeure" aus Franken habe Conti längst überwunden. "Wir sind heute zwei Schwesterunternehmen und begegnen einander auf Augenhöhe." Auf manchen Gebieten freilich auch als Wettbewerber. Für die Familie, Rosenfelds "Kapitalmarkt" am Ende des Büroflurs, wie er es ausdrückt, längst ein lukratives Investment: Die Schaefflers freuen sich in schöner Regelmäßigkeit über die fette Dividende.

"Eher schüttelt mich Müller"

Die Vergangenheit scheint bewältigt, die Gegenwart ist nur mit diplomatischem Geschick zu handhaben. Was den aktuellen VW-Abgasskandal betrifft, spricht Rosenfeld weniger frei. Schließlich ist Volkswagen einer der Großkunden, deshalb kommen vom Schaeffler-Manager Befunde, die Allgemeingut sind: Dass das Ansehen der Autoindustrie durch den Betrug gelitten hat, dass es gut wäre, würden die Verantwortlichen die passenden Schritte unternehmen, dass eine "offene Fehlerkultur" Gefahren abwehren könne, dass es der Autoindustrie nutzen würde, wäre der Schaden schnell behoben.

Klar sei aber auch: "Ich werde VW-Vorstandschef Müller nicht schütteln, eher schüttelt er mich als Zulieferer." Doch die Affäre habe auch ihr Gutes. "Der Dieselskandal hat dazu beigetragen, den Sinneswandel hin zur Elektromobilität voranzubringen."

Industrie 4.0 und Digitalisierung gehören auch bei dem Wälzlagerhersteller zu den drängenden Themen. Von sich aus erklärt Rosenfeld, warum auch Schaeffler erstmals einen deutschen Standort schließt, das Werk Elfershausen in Unterfranken. Der Abbau werde "absolut fair und sozialverträglich" geschehen. Die Fabrikschließung sei die Antwort auf den Kostendruck aus Asien, wo Newcomer die Preise verderben.

Aber auch sonst seien nicht alle Mitarbeiter gefeit vor den Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung. Doch die klassische Arbeit am Band werde es weiter geben. Rosenfeld: "Auch das selbstfahrende Auto besteht nicht nur aus Software."

Und wenn schon von Technik die Rede ist: Kann man so einfach von einer Bank in die Industrie wechseln? "Ja, kann man, haben Sie ja gesehen." Welche Probleme er zu lösen hatte, stellte sich im Einzelnen erst nach und nach heraus. "Aber bei Herzogenaurach war ich mir auch nicht sicher, was auf mich zukommt. Und jetzt bin ich seit fast acht Jahren dort."

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