Große Sorge um Deutschlandticket

Milliarden-Zusatzkosten erwartet: So viel könnte das 49-Euro-Ticket bald kosten

20.9.2023, 12:54 Uhr
Das bundesweit einheitliche Deutschlandticket könnte 2024 teurer werden.

© IMAGO/Piero Nigro Das bundesweit einheitliche Deutschlandticket könnte 2024 teurer werden.

Der Preis für das Deutschlandticket von derzeit 49 Euro im Monat könnte sich im kommenden Jahr deutlich erhöhen. Grund ist ein ungelöster Finanzstreit zwischen Bund und Ländern. Nach einer Prognose der Verkehrsbranche wird sich die Finanzierung des Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr im kommenden Jahr für Bund und Länder deutlich erhöhen. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz warnte am Dienstag vor einer Preiserhöhung. Er forderte den Bund auf, sich "zeitnah" zur Fortführung des Tickets in den nächsten Jahren zu bekennen.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) prognostiziert für 2024 für das Ticket einen steigenden Bedarf von über einer Milliarde Euro auf insgesamt 4,09 Milliarden. Das geht aus einem VDV-Papier für eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern hervor. Als potenzielle Maßnahmen, um den höheren Zuschussbedarf zu verringern, nennt der Verband eine Erhöhung des Ticketpreises und eine Ausweitung der Nutzerzahlen.

Der VDV warnt in dem Papier vor einem Aus des Tickets. Ohne eine "ausreichend dotierte haushalterische Vorsorge oder eine Nachschusspflicht" wäre es den Unternehmen nicht möglich, das Ticket weiter auszugeben und anzuerkennen.

Streit zwischen Bund und Ländern

Die Zahlen dürften den Finanzstreit zwischen Bund und Ländern befeuern. Seit dem 1. Mai kann die Fahrkarte für Busse und Bahnen für 49 Euro im Monat verwendet werden - als digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement in ganz Deutschland. Die damit verbundenen Verluste der Branche tragen Bund und Länder je zur Hälfte. Vom Bund kommen von 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro. Die Länder bringen ebenso viel auf.

Auch mögliche Mehrkosten über die drei Milliarden Euro hinaus sollen im ersten Jahr zur Hälfte geteilt werden. Diese "Nachschusspflicht" aber ist von 2024 an offen - darum geht es im Streit zwischen Bund und Ländern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes ab und verweist auf die Zuständigkeit der Länder für den Regionalverkehr.

Laut VDV-Papier befinden sich die Verkaufszahlen für das Ticket bei allen Verbünden und Unternehmen im "Hochlauf". Der Verband geht für ein volles Jahr nach Einführung - also Ende April 2024 - von rund 13 Millionen regelmäßigen Nutzern aus. Zuletzt waren es etwa 10 Millionen, nachdem zunächst mehr als 11 Millionen Abos verkauft worden waren. Die Option zur monatlichen Kündbarkeit werde intensiver als erwartet genutzt. Das schafft bei den Verkehrsunternehmen mehr Planungsunsicherheit. Insgesamt führe die Preissenkung im öffentlichen Personennahverkehr durch das Deutschlandticket bundesweit zu "spürbaren Mindereinnahmen".

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff forderte, dass Bund und Länder bis Ende September eine Lösung für die Kostenübernahme präsentieren. "Bleibt eine solche Entscheidung aus, sind die Verkehrsunternehmen und Verbünde nicht in der Lage, eine verlässliche Planung für 2024 vorzulegen. Dies führt zu erheblichen Risiken, die auch die Politik ernst nehmen muss."

Umsteiger führen zu höheren Kosten

Der VDV-Prognose zufolge ergibt sich für 2023 angesichts des verkürzten Geltungszeitraums von Mai bis Dezember ein Zuschussbedarf von rund 2,3 Milliarden Euro - das zugesagte Geld von Bund und Ländern reicht also aus. Vom Zuschussbedarf von 4,09 Milliarden im kommenden Jahr sind 3 Milliarden von Bund und Ländern fest zugesagt.

Als Kerntreiber für den höheren Bedarf nennt der VDV die zunehmende Zahl der Fahrgäste, die von anderen Tickets zum Deutschlandticket wechseln. Das führt aber dazu, dass die Einnahmen aus bisherigen Abos und dem Verkauf von Einzelfahrscheinen oder Monatskarten sinken. Das kann durch die Einnahmen aus dem Deutschlandticket nicht ausgeglichen werden.

Droht eine Preiserhöhung?

Der VDV schätzt im vorliegenden Szenario eine Preiserhöhung des Deutschlandtickets auf 59 Euro im Monat ab. Es ergäben sich zwar geringere Verkaufszahlen, aber höhere Einnahmen. Je nach Startzeitpunkt der Preiserhöhung würde sich der Zuschussbedarf von Bund und Ländern verringern - allerdings sei das Ausmaß einer negativen Kundenreaktion auf eine Preiserhöhung nicht gesichert abzuschätzen.

NRW-Verkehrsminister Krischer sagte: "Die Menschen im Land brauchen Verlässlichkeit. Wir haben mit dem Deutschlandticket ein einfaches, preiswertes und viel genutztes Tarifsystem etabliert. Der Einführungspreis von 49 Euro muss auch im nächsten Jahr bleiben." Der Bund müsse seiner "Nachschusspflicht" nachkommen. Baden-Württembergs Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) warnte: "Wenn die Kosten des Deutschlandtickets die vorgesehene Ausgleichssumme von drei Milliarden Euro übersteigen, müssen Bund und Länder die Mehrkosten paritätisch übernehmen, sonst wird aus dem erfolgreichen D-Ticket bald ein teurer Flop."

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte, gebe es keine auskömmliche Finanzierung, müssten zur Finanzierung im Gegenzug Busse und Züge abbestellt werden, so dass sich das Fahrplanangebot verschlechtere.

FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sieht die Länder in der Pflicht: sie müssten Tarif- und Verbundstrukturen nachhaltig aufbrechen und effizienter gestalten: "Nur dann kann der für die Bürger attraktive und günstige Preis von 49 Euro gehalten werden." Der Linke-Bundestagsabgeordnete Victor Perli sagte: "Die Erhöhung des Preises wäre ein Debakel für die Millionen von Menschen, die sich schon das 49-Euro-Ticket gerade so oder gar nicht leisten können."