Mit Technik zur persönlicheren Medizin

20.7.2017, 14:04 Uhr
Mit Technik zur persönlicheren Medizin

© Roland Fengler

Mitten im Satz sackt Opa plötzlich zusammen. Ein Stich, die Brust verkrampft — Herzinfarkt! Panik, Stress, jetzt zählt jede Sekunde. Es klingelt, die Sanis sind da, hieven Opa auf die Trage, ab in den Krankenwagen, Blaulicht, Vollgas. Hinten drin checkt der Rettungsassistent schnell sein Tablet, ruft Opas Krankenakte ab, vor allem den Medikationsplan. Allergien? Unverträglichkeiten? Alles klar, Spritze setzen, Infusion legen — geschafft. Opa ist stabil, im Krankenhaus wissen sie bei der Ankunft auch schon Bescheid, alles ist vorbereitet. Es sieht jetzt gut aus. Opa wird es schaffen. So könnte er aussehen, der Alltag in der Medizin von morgen — zumindest wenn die Experten und Aussteller auf der MT-Connect recht behalten.

Schneller soll es gehen, mit mehr Hilfen für Ärzte und Pflegepersonal sowie einer individuell auf die Besonderheiten eines jeden Patienten zugeschnittenen Behandlung. Möglich machen sollen das die Produkte und Dienstleistungen, die die 189 Aussteller aus elf Ländern bei der Premiere der Medizintechnik-Fachmesse in Nürnberg noch bis heute anpreisen. Der Trend in der Branche ist eindeutig: vor allem digital und netzwerkfähig muss es sein. Für Matthias Völker vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) und seine Kollegen kein Problem. Die Erlanger Forscher treten mit einem Cardio-Shirt an, dessen eingebaute sieben Elektroden ein bequemes Langzeit-EKG ermöglichen, „ohne diese ganze Klebe-Geschichte“, wie Völker veranschaulicht.

Ein mit Sensoren gepimptes Cochlea-Implantat hat Völker ebenfalls dabei, das nicht mehr nur das Hören, sondern zugleich den Gleichgewichtssinn verbessern kann. „Ein Hersteller aus der Schweiz ist schon interessiert.“ Einen kurzen Anfahrtsweg hatte auch Emin Dokur. Wie das IIS in der Hugenottenstadt beheimatet, nimmt seine Astrum IT andere Unternehmen an die Hand, die Medizin-Apps für ihre Produkte auf den Markt bringen wollen. „Aktuell arbeiten wir an einem elektronischen Medikationsplan, über den alle angeschlossenen Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser die wichtigsten Fakten abrufen können.“

Mit der Notaufnahme des Klinikums Fürth läuft die Testphase, auch im Krankenwagen sollen die Daten den Sanitätern einmal per Tablet-App zur Verfügung stehen. Hans-Peter Bursig, zuständiger Experte beim Elektroindustrie-Branchenverband ZVEI, stellt den Herstellern eine vielversprechende Zukunft in Aussicht. Ein Drittel des weltweiten Medizintechnik-Umsatzes entfalle inzwischen schon auf in irgendeiner Art elektronische Produkte, entsprechend 100 Mrd. € — Tendenz steigend.

Denn weil in der EU in drei Jahren neue Vorschriften zur Qualitätssicherung in Kraft treten und gleichzeitig die Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft erst am Anfang steht, werde „in den nächsten Jahren eine ganze Infrastruktur durchmodernisiert“. Aus dem Weltraum in den OP Vielleicht sogar mit Weltraumtechnik, wie sie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in den zwei Hallen der MT-Connect ausstellt. Denn leichte und flexibel montierbare Roboter-Arme, die schon bei Außeneinsätzen an der Internationalen Raumstation ISS nützlich waren, könnten schließlich auch Ärzte im OP helfen, glaubt DLR-Informatiker Martin Gröger: „Wir denken da an minimalinvasive Chirurgie, wenn es darum geht, per Wasserstrahl sehr präzise und vollkommen steril zum Beispiel eine Wunde auszuwaschen.“

Bei der NürnbergMesse ist man optimistisch, mit der neuen Fachschau die Erfolgsgeschichte wiederholen zu können, die bereits andere in der Nische gestartete Veranstaltungen hingelegt haben. Wie die BioFach. Dass es schon eine Reihe Konkurrenten auf dem Feld der Medizintechnik gibt, etwa die Medtec Stuttgart, davon wollen sich die Franken nicht aufhalten lassen. „Fast 200 Aussteller zur Premiere, das kann sich sehen lassen“, findet Richard Krowoza, Mitglied der NürnbergMesse-Geschäftsleitung. Läuft es glatt, sollen es im April 2018 dann schon rund 220 sein. Oder mehr.

 

Keine Kommentare