Nürnberger Bleistifte erobern die Welt

24.8.2010, 10:54 Uhr
Nürnberger Bleistifte erobern die Welt

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Als sich der Schreiner Kaspar Faber 1761 vor den Toren Nürnbergs eine kleine Werkstatt einrichtete, um mit handgehobelten Graphitstiften sein Glück zu versuchen, hatte er vermutlich nicht vor, berühmt zu werden. Kaspar Faber machte ja nichts anderes als die anderen Bleistiftmacher in und um Nürnberg, und im Grunde auch nichts anderes, als es bereits einige Generationen von Handwerkern vor ihm getan hatten.

Schon um 1660 hatten einige Nürnberger Schreiner berufliches Neuland betreten und sich darauf spezialisiert, hölzerne Einfassungen herzustellen und darin Graphitstangen einzuleimen. »Nürnbergs Tradition als Stadt des Handwerks war der Nährboden für diese Versuche, etwas Neues zu machen«, erklärt Matthias Murko, der Leiter des Museums Industriekultur.

Begehrtes Exportgut

Auch aus einem anderen Grund war es kein Zufall, dass sich in der Region gleich eine ganze Reihe von Schreinern dem neuen Handwerk zuwandten: »Es war natürlich praktisch, dass Nürnberg Drehkreuz der großen europäischen Handelswege war«, sagt Murko. Die vielen Händler und Kaufleute, die die Stadt passierten, machten den Bleistift schnell zum begehrten Exportgut.

Nürnberg war also, von Beginn an, nicht der schlechteste Ort für die Bleistiftmacher, und als Kaspar Faber seine Werkstatt 1784 an seinen Sohn Anton Wilhelm übergab, hatte sie sich bereits zu einem Kleinbetrieb mit 20 Gehilfen gemausert. Dass daraus die weltweit bekannte Marke Faber-Castell mit Fertigungsstätten in 15 Ländern werden sollte, deren Bleistifte sogar Bismarck oder Vincent van Gogh in die Finger bekamen, war freilich nicht zu ahnen.

Ebenso wenig wie die Entwicklung Nürnbergs zur international bedeutsamen Bleistifthochburg. Einiges sprach schließlich dafür, dass genau das nicht passieren würde: »Weder ist der Bleistift eine Nürnberger Erfindung, noch finden sich die zu seiner Herstellung notwendigen Rohstoffe im hiesigen Raum, darüber hinaus war in der Frühgeschichte seiner Entwicklung die Qualität der Nürnberger Bleistifte im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz sehr schlecht«, vermerkt Murko in einer Museums-Broschüre zur Nürnberger Bleistiftgeschichte.

Für ihn ist der Aufstieg der Region zum Zentrum der Bleistiftindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts daher ein »industriegeschichtliches Phänomen« - und eine Sternstunde der Wirtschaft. Die Namen Staedtler, Schwan-Stabilo, Lyra und allen voran Faber sind damit verbunden - vier von ehemals elf Bleistiftherstellern, die vor dem Zweiten Weltkrieg im Nürnberger Raum existierten. Alle vier Unternehmen gehören heute zu den Marktführern in der weltweiten Schreibgeräte- und Kosmetikstifteproduktion - und haben das nicht zuletzt einem Urenkel von Kaspar Faber zu verdanken.

Aus Paris und London zurück nach Stein

Der junge Lothar Faber, der 1839 den Familienbetrieb übernahm, profitierte bereits davon, dass sich die Qualität der deutschen Bleistifte dank eines neuen Verfahrens bei der Verarbeitung von Graphit, das sogenannte Conté-Verfahrens, verbessert hatte. Von der wachsenden Konkurrenz im Ausland ließ sich der 22-jährige Unternehmer nicht beeindrucken, sondern allenfalls anspornen.

In den damaligen Handelsmetropolen Paris und London hatte er die Bleistiftindustrie unter die Lupe genommen. Zurück in seine Heimatstadt Stein kam er mit vielen Visionen und dem Ziel, sich »auf den ersten Platz emporzuschwingen, indem ich das Beste mache, was überhaupt in der Welt gemacht wird«.

Faber erobert New York

Dort krempelte er den väterlichen Betrieb um: Er modernisierte die Produktionsanlagen und knüpfte ein weltweit gespanntes Handelsnetz. Es dauerte nicht lange, da hatte Faber eigene Niederlassungen in New York, London, Paris und St. Petersburg.

Ebenso eifrig arbeitete Faber daran, dass sich die Qualität seiner Bleistifte weiter verbesserte. Als Erster in der Branche setzte er auf die Standardisierung des Angebots und legte Normen für Längen und Stärken fest. Durch die Kennzeichnung mit dem Firmennamen A.W. Faber (nach seinem Großvater) entstand der erste Markenstift der Welt. In den USA ist A. W. Faber heute sogar die älteste eingetragene Marke.

Mit seinem visionären Denken beflügelte Faber die Konkurrenz in Nürnberg. »Die Situation war eine, in der sich die Hersteller eher gegenseitig befruchteten als kaputt machten«, sagt Murko. Auch später, als der Bleistift längst nur noch eines unter vielen Schreibgeräten war, wussten sich die Nürnberger Hersteller in der Welt zu behaupten, indem sie ihr Angebot klug erweiterten und bei der Entwicklung von Kopierstiften, Schminkstiften und Textmarkern kräftig mitmischten. Die Sternstunde geht weiter, und der einfache Bleistiftmacher Kaspar Faber ist heute ein bisschen berühmt.