Nürnberger Startup ROBOYO: Rasantes Wachstum

26.12.2020, 13:44 Uhr
Das Nürnberger Startup ROBOYO hat sich auf Prozess-Automatisierung spezialisiert

© Roboyo, NN Das Nürnberger Startup ROBOYO hat sich auf Prozess-Automatisierung spezialisiert

Rund 100 Mitarbeiter, die aus 13 Nationen stammen, 25 bis 30 Sprachen sprechen, teils im Ausland gelebt haben und gerne reisen. Schon die Beschäftigtenstruktur lege nahe, international tätig zu sein, sagt Nicolas Hess, der für Europa zuständige Geschäftsführer von Roboyo. Außerdem wolle man Marktführer in der Nische werden, in der das im Oktober 2015 gegründete Startup tätig ist. Die GmbH bietet Dienstleistungen für Automatisierungsprozesse im Backoffice, also etwa im Bereich Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Lieferketten und Personal.

Während in der industriellen Fertigung der Einsatz von Robotern längst Standard sei, hinkten die oben genannten Felder stark hinterher. Dabei dürfe man sich bei der digitalen Prozessoptimierung keinen physischen Roboter vorstellen, der durch die Räume flitzt, Teile bringt und verbaut, sondern vielmehr eine unsichtbare Software, die sich durch die Programme klickt und einfach strukturierte, wiederkehrende Aufgaben erledigt, etwa Zahlungen verbucht, Rechnungen erstellt, Kreditanträge bearbeitet oder Fragen von Kunden beantwortet.

„Wir entwickeln keine eigene Software. Wir implementieren die von anderen. Je Prozess dauert das nur zwei bis sechs Wochen“, erklärt Hess. Dazu kooperiere Roboyo mit einem kleinen Kreis von etwa acht hochspezialisierten Unternehmen, unter anderem auf den Feldern Robotic Process Automation (RPA) und Chatbots. Der Ansatz sei mit dem der SAP-Softwarehäuser vergleichbar. Darüber hinaus hilft Roboyo als Mentor bei der Beantwortung schwieriger Fragen und bildet Mitarbeiter von Kunden aus, damit diese später die Software nach ihren Wünschen selbst konfigurieren können. Dieses Angebot richte sich nicht an klassische Buchhalter oder Personalkaufleute, sondern an einzelne Beschäftigte, die beispielsweise schon viel mit Excel-Makros arbeiten und eine gewisse IT-Affinität haben.

Ganz vorne dabei sein

Seit Aufnahme des operativen Geschäfts im Februar 2016 habe Roboyo jedes Jahr seinen Umsatz und seine Mitarbeiterzahl verdoppelt. Und mit mindestens 50-prozentigen Wachstumsraten soll es in den kommenden Jahren weitergehen, skizziert Hess. Schließlich sagten Marktforscher für den Automatisierungsmarkt derartige Steigerungen vorher und da wolle sich Roboyo nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, etwa durch aufspringende große IT-Beratungen.

Um im Rennen auch künftig vorne dabei sein zu können, hat sich die Nürnberger GmbH einen Investor gesucht: 21 Millionen Euro steckt der Wachstumskapitalspezialist MML Capital Partners in das fränkische Startup. „Dadurch haben wir zum Beispiel die Freiheit, dass sich ein Team auch mal mit nicht unmittelbar umsatzbringenden Projekten beschäftigen kann“, sagt der 33 Jahre junge Hess, der BWL studiert hat und nach einem internationalen Master bei der Unternehmensberatung Deloitte gearbeitet hat, ehe er sich mit Christian Voigt und Sven Manutiu selbständig machte. Während Voigt Geschäftsführer für die USA ist, verantwortet Manutiu den Technikbereich.

Um in den Vereinigten Staaten Fuß fassen zu können und generell um neue Technologien zu implementieren, bräuchten Firmen schon eine üppige Kapitalausstattung, sagt Hess. Roboyo habe derzeit über 120 aktive Kunden, überwiegend Großunternehmen und Konzerne wie Adidas, Bayer und Pepsico, aber auch regionale Banken wie die VR Bank Nürnberg oder die PSD Bank. Ein Drittel seines Umsatzes macht das fränkische Startup mit seinen zehn größten Kunden. „Das hat uns auch corona-technisch sehr geholfen“, resümiert Hess.

Ausweichen auf Barcelona

Weil es am Gründungsstandort Nürnberg schwierig gewesen sei, genügend Fachkräfte vor allem aus dem Bereich Informatik zu finden, sei das Startup zum Beispiel nach Barcelona gegangen. Dort sei qualifiziertes Personal leichter zu rekrutieren gewesen und so gebe es dort inzwischen den zweitgrößten Roboyo-Standort. Mit zirka 35 Mitarbeitern ist in der Noris nachwievor das größte der heute sieben Büros weltweit beheimatet. Das sei ein Stückweit Lokalpatriotismus, vor allem aber biete Nürnberg für Startups tolle Voraussetzungen, sagt Hess und resümiert: „Leider verkauft sich die Stadt in dieser Hinsicht viel zu schlecht.“

Roboyo ist übrigens eine Mischung aus dem englischen Wort für Roboter (robot) und dem spanischen Wort für Unterstützung (apoyo), wie Hess erklärt. Dass durch die Dienstleistungen der GmbH mittelfristig viele Stellen abgebaut werden, glaubt der 33-Jährige nicht. Schließlich habe die Automatisierung in den Fabriken auch nicht dazu geführt, wie seinerzeit oft befürchtet, dass Menschen in der deutschen Wirtschaft nicht mehr gebraucht würden. Vielmehr gebe es da heute einen Höchststand an Beschäftigten. „Es ist einfach eine Veränderung“, meint Hess. Durch den Einsatz von Robotern bekämen Mitarbeiter mehr Freiraum für kreative Aufgaben. Und die Interpretation der Daten wie die eigentliche Wertschöpfung bleibe ohnehin den Menschen überlassen. Bei den bisherigen Projekten sei es eher um die Steigerung der Kundenzufriedenheit und um die Entlastung der Belegschaft gegangen, als um Kosteneinsparungen.