Sternstunde Siemens: Gehirne für Brauereien und Riesenräder

25.8.2010, 05:00 Uhr
Sternstunde Siemens: Gehirne für Brauereien und Riesenräder

© Karlheinz Daut

„Die Bagger sind da“, hieß es Anfang 1983 in dieser Zeitung. Die Vorbereitungen für die Großbaustelle am Moorenbrunnfeld liefen an. Siemens begann, hier — quasi auf der „grünen Wiese“ — für 60 Mio. DM einen neuen Gebäudekomplex hochzuziehen. Es war eine Sternstunde für die Wirtschaft der Stadt.

Sie verbindet sich nicht mit konkreten Namen — wie der Heinzelmann mit Max Grundig. Das Beispiel fällt in der Serie zu den Sternstunden der Nürnberger Wirtschaftsgeschichte auch in sofern aus dem Rahmen, als Ingenieurteams und nicht einzelne Tüftler den Weg bereiteten. Inzwischen arbeiten in Nürnberg-Moorenbrunn rund 2200 Mitarbeiter, und wird allein in der Siemens-Division Industry Automation ein Jahresumsatz von rund acht Mrd. € erzielt.

Mehr als jede dritte Steuerung weltweit stammt inzwischen von Siemens als Marktführer. Sie sind das Gehirn der Anlagen, denn sie geben mit Hilfe der Elektronik erst Anweisungen, was eine Anlage überhaupt tun soll. Man sieht sie von außen nicht, und Otto Normalverbraucher weiß kaum, dass es sie gibt. In der Industrieproduktion freilich ist die Marke Simatic so bekannt wie Coca-Cola bei den Erfrischungsgetränken.

Ob ein Aufzug per Knopfdruck gerufen wird oder eine Produktionsmaschine ihre Arbeit nach Programm erledigt; wenn das Riesenrad auf dem Nürnberger Volksfest Fahrt aufnimmt, Getränke vollautomatisch abgefüllt oder Autos am Fließband produziert werden; wenn Kraftwerke und Kläranlagen ihre Arbeit tun — stets sind Industrie-Steuerungen im Einsatz. Mit der Simatic-Steuerung lassen sich Stahlwerke betreiben, Joghurt, Zahnbürsten und Handys herstellen. Auch Investitionsgüter wie die Simatic selbst werden automatisiert gefertigt.

Start in Paris

Begonnen hat alles schon vor dem Aufschwung von Moorenbrunn. 1959 präsentierte Siemens auf der Werkzeugmaschinen-Ausstellung in Paris stolz die erste Generation eines „Baukastensystems für kontaktlose Steuerungen“: die Simatic G. An die Stelle von Relais-Kontakten traten kleine und verschleißfreie Transistoren. In den 70er Jahren begann die Ära der speicherprogrammierbaren Steuerungen. Ihre Funktionen wurden nicht mehr über Hardware-Verdrahtungen bestimmt, sondern durch Software.

1979 gelang der Durchbruch mit der Simatic S5, bei der die Hardwareverbindungen durch eine Steuerungssoftware ersetzt wurden. Der Erfolg der S5-Familie machte Siemens bis heute zum Weltmarktführer im Bereich der speicherprogrammierbaren Steuerungen.

Das alles geschah unter dem Dach des Siemens-Bereichs „Energietechnik“, einer Nachfolgeeinheit der Siemens-Schuckertwerke. Zum 1. Oktober 1983 wurde dann zunächst der Geschäftsbereich „Produktionsautomatisierung und Automatisierungssysteme“ gegründet und der gesamte Siemens-Bereich in „Energie- und Automatisierungstechnik“ umbenannt.

Mehr als eine Umorganisation

Es war mehr als eine reine Umorganisation. Der Siemens-Standort Moorenbrunn wurde zum weltweiten Trendsetter für das Funktionieren von Industrieanlagen. Hier wird das entwickelt und weiterentwickelt, von hier aus wird vertrieben, was weltweit die Industrie in Gang bringt.

Sternstunde Siemens: Gehirne für Brauereien und Riesenräder

© Siemens AG

Um die Zeit bis zur Markteinführung zu verringern, arbeiten Unternehmen in vielen Branchen inzwischen an der digitalen Fabrik, in der alle Abläufe nahtlos ineinander greifen. Nach der virtuellen Produktionsplanung in den neunziger Jahren ist jetzt die virtuelle Inbetriebnahme ganzer Produktionslinien ein aktueller Trend. Die Simatic — von den Ingenieuren am Standort Moorenbrunn ständig perfektioniert — bleibt in der Mehrzahl der Fälle die Grundlage.