Unternehmen in der Schule: Lobbyismus oder pädagogisch sinnvoll?

15.6.2019, 14:44 Uhr
Ein Schüler einer zehnten Klasse programmiert mit seinem Tablet den Einplatinencomputer "Calliope mini".

© Uli Deck, dpa Ein Schüler einer zehnten Klasse programmiert mit seinem Tablet den Einplatinencomputer "Calliope mini".

Organisationen, Verbände und Unternehmen sind an bayerischen Schulen omnipräsent, doch der Austausch zwischen Schule und Wirtschaft ist umstritten. "Schulen werden mit Unterrichtsmaterialien und außerschulischen Angeboten überhäuft", kritisiert Felix Kamella vom Verein LobbyControl. Der Verband missbilligt, dass die Schulen alleingelassen werden mit der Entscheidung, ob eine Kooperation pädagogisch sinnvoll ist oder eine reine Werbemaßnahme. Tatsächlich hat das Kultusministerium nach eigenen Angaben keinen Überblick, welche Organisationen an Schulen aktiv sind und was sie dort genau tun.

"Schule ist kein von der Arbeitswelt losgelöstes Raumschiff", sagt Kultusminister Michael Piazolo. "Die Schule sollte ja für das Leben und eine gute Berufsausbildung oder ein Studium qualifizieren." Die Zusammenarbeit mit "außerschulischen Einrichtungen, insbesondere mit Betrieben" ist im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen BayEUG festgeschrieben. Der Austausch zwischen Schule und Wirtschaft wird staatlich gefördert.

So unterstützt das Bayerische Wirtschaftsministerium die Industrie- und Handelskammer (IHK) dabei, dass Azubis in Schulen gehen und dort von ihrem Berufsalltag erzählen. Ein anderes Beispiel ist das Projekt "Girls‘ Day Akademie Bayern": Eine Kooperation zwischen Arbeitsagentur, dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft und lokalen Unternehmen ermöglicht Mädchen, beim Forschen und Experimentieren ihr Interesse für technische Berufe zu entdecken. So können Jugendliche erste Kontakte zur Berufswelt knüpfen.

Aber auch die Unternehmen wollen von solchen Kooperationen profitieren. "Wir versuchen, unseren Wirtschaftsbereich ins rechte Licht zu rücken und ihn als modern, attraktiv und innovativ darzustellen", sagt Jens Christopher Ulrich, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern. Viele Unternehmen erhoffen sich, auf diese Weise junge Mitarbeiter oder Kunden gewinnen zu können. Google hat beispielsweise kleine Computer für 20 bayerische Schulen mitfinanziert, sogenannte Calliope Mini. Das Projekt zielt laut Webseite darauf ab, "das Bildungssystem zu verändern und mehr Medienkompetenz dauerhaft in den Lehrplänen zu verankern." Obwohl die Einflussnahme also offen zugegeben wird, gilt das Projekt nicht als Werbung und ist daher erlaubt.

Mittlerweile gibt es eigene Agenturen wie DSA Youngstar, die sich auf Schulmarketing spezialisiert haben. DSA Youngstar halte sich an die geltenden Landesschulgesetze und Sponsoring-Richtlinien, sagt Geschäftsführer André Mücke. "Eine Instrumentalisierung von Schülern ist somit ausgeschlossen", sagt er auf Nachfrage. Die Agentur setzt bereits im Kindergarten an – mit einer "Kindergarten-Sponsoring-Box" oder Ausmalbildern. Für das Grundschulalter bietet die Agentur Schulhefte, Plakate oder Stundenpläne an, für die Hochschule wird das Sortiment um Coffee-to-go-Becher erweitert.

Aber auch die Kooperation zwischen Bundeswehr und Schule ist umstritten. Der Bayerische Landtag hat 2010 eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr geschlossen. Demnach dürfen Jugendoffiziere an Schulen zwar politische Bildungsarbeit betreiben, aber keine Soldaten rekrutieren.

CSU und FDP wollen an der Kooperation festhalten. Für Uli Grötsch, Generalsekretär der BayernSPD, sind einmalige Info-Veranstaltungen der Bundeswehr "in Ordnung"; nach Ansicht der Freien Wähler sollte die Bundeswehr als potenzieller Arbeitgeber auch über berufliche Karrierewege informieren dürfen. Die Grünen haben nun einen Antrag im Landtag eingereicht: Bei sicherheitspolitischen Diskussionen sollen Schulen neben der Bundeswehr auch andere Organisationen wie Friedensinitiativen einladen. Außerdem sollen die Schüler selbst entscheiden dürfen, ob sie daran teilnehmen wollen.

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