Ryanair-Mitarbeiter scheitert vor Gericht

Von Nürnberg nach Italien versetzt: Pilot muss es hinnehmen

2.12.2022, 12:00 Uhr
Wer bei einem international tätigen Unternehmen arbeitet, muss akzeptieren, auch an anderen Standorten eingesetzt zu werden. Es sei denn, der Arbeitsvertrag regelt etwas anderes.

© Daniel Karmann, dpa Wer bei einem international tätigen Unternehmen arbeitet, muss akzeptieren, auch an anderen Standorten eingesetzt zu werden. Es sei denn, der Arbeitsvertrag regelt etwas anderes.

Eigentlich ging es dem Ryanair-Piloten aus Nürnberg nur darum, dass seine Versetzung ins italienische Bologna für rechtswidrig erklärt wird. Das hat er mit seiner Klage durch alle deutschen Arbeitsgerichtsinstanzen nicht erreicht. Aber er sorgte für ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sehr viele Arbeitnehmer in Deutschland betreffen kann - vor allem, wenn sie in einem Unternehmen beschäftigt sind, das weltweit agiert.

Demnach können Arbeitnehmer dauerhaft ins Ausland versetzt werden, wenn im Arbeitsvertrag nicht etwas anders vereinbart ist. Das Weisungsrecht von Arbeitgebern zum Arbeitsort gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Standorte international, erklärten die höchsten deutschen Arbeitsrichter. Es müsse jedoch eine Einzelfallprüfung geben, ob die Versetzung in ein anderes Land für den Arbeitnehmer zumutbar sei.

Vergütung nach Standort

Im konkreten Fall hatte der Flugkapitän von Ryanair bis zur höchsten Arbeitsgerichtsinstanz gegen seine dauerhafte Versetzung von Nürnberg - wo die Fluggesellschaft ihre Station geschlossen hatte - zum Flughafen im italienischen Bologna geklagt. Der Mann wollte die Rücknahme der Versetzung nach Italien erreichen, die im Mai 2020 erfolgt war. Sein Anwalt verwies darauf, dass sein Mandant dadurch auch Gehaltseinbußen von einigen zehntausend Euro hatte. Im Arbeitsvertrag des Klägers war jedoch vereinbart, dass der Pilot auch an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden kann, und dass sich seine Vergütung dann nach dem dort geltenden System richtet.

Die Quintessenz ihres Urteils formulierten die Richter so: "Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist." Vor einer Versetzung ins Ausland müsse es aber eine zweistufige Prüfung geben, erläuterte ein Gerichtssprecher. Erstens: "Ist die Versetzung rechtlich zulässig?" Und zweitens: "Ist sie im konkreten Fall zumutbar?" Juristen sprechen von einer Billigkeitsprüfung, die erfolgen müsse.

Umstrittene Auslegung

Letztlich ging es "um die Auslegung von Paragraf 106 der Gewerbeordnung", sagte der Vorsitzende Richter, Rüdiger Linck, in der Verhandlung. Dieser regelt das Weisungsrecht von Arbeitgebern - seine Anwendung bezüglich des Arbeitsortes ist unter Arbeitsrichtern umstritten. Der Anwalt des Piloten hielt die vertraglich vereinbarte Versetzungsklausel im Vertrag seines Mandanten für unwirksam, weil seiner Meinung nach die Gewerbeordnung nur eine Versetzung innerhalb Deutschlands zulasse. Mit dieser Argumentation konnte er nicht punkten.

Mit seinem Urteil schuf das Bundesarbeitsgericht nun Klarheit bei der Auslegung des entsprechenden Passus in der Gewerbeordnung. "Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen", so die Bundesarbeitsrichter. Der umstrittene Paragraf 106 besagt: "Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind."

Weitreichende Folgen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat nach Meinung des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing weitreichende Auswirkungen. Die Arbeitswelt werde immer internationaler. "In vielen Arbeitsverträgen ist kein Arbeitsort festgelegt." Dieser könnte von Arbeitgebern nach betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt werden - "allerdings muss den Interessen des Arbeitnehmers hinreichend Rechnung getragen werden."