Weihnachten im Schuhkarton: Tolle Idee, umstrittene Umsetzung

10.11.2020, 05:58 Uhr
Werden die verpackten Schuhkartons mit Geschenken verteilt, ist die Freude bei den Kindern natürlich groß. Die Großkirchen allerdings sehen die Aktion kritisch.

© Die Samariter / David Vogt Werden die verpackten Schuhkartons mit Geschenken verteilt, ist die Freude bei den Kindern natürlich groß. Die Großkirchen allerdings sehen die Aktion kritisch.

Schon der Gedanke wärmt das Herz. Daheim in der Küche, die Kinder packen den flauschigen Teddy und das rote Spielzeugauto in das Päckchen auf dem Tisch, ein handgeschriebener Gruß dazu - und dann geht's gemeinsam zur Sammelstelle für die Spende. Damit auch in ärmeren Ländern Kinder an Heiligabend ein Lachen im Gesicht tragen.

Schulklassen und Gemeinden packen Schuhkartons

“Weihnachten im Schuhkarton” heißt die internationale Aktion, die das Idyll seit Jahrzehnten ermöglicht, in Deutschland in diesem Jahr zum 25. Mal. In diesem Vierteljahrhundert hat sie es zu einer der beliebtesten Spendenkampagnen zur staden Zeit gebracht. Familien, Schulklassen, Kirchengemeinden, alle sammeln mit. Die Werbeflyer holen gerade wieder viele aus dem Briefkasten.

In Teilen der Großkirchen in Deutschland sorgt das allerdings nicht nur für Begeisterung. Zumal offenbar nicht allen Teilnehmern ganz klar ist, welche Organisation genau sie da eigentlich unterstützen und für welche Werte diese steht – wie auch ein Geistlicher in Mittelfranken, damit konfrontiert, einräumt.


Kommentar: Spenden macht glücklich, aber genau hinschauen lohnt


Aufgrund der Unsicherheiten an der Basis haben die katholischen Bistümern Trier und Rottenburg-Stuttgart aktuell sogar Warnungen vor der Aktion veröffentlicht und appellieren an alle Gemeinden, sich nicht daran zu beteiligen. Das Bistum Bamberg will „Weihnachten im Schuhkarton“ selbst zwar nicht bewerten, verlinkt aber auf die Stimmen aus den anderen Diözesen.

“Samaritan’s Purse” („des Samariters Geldbeutel”) heißt die Organisation, die hinter der Spendenaktion steht. Der Name lehnt sich an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter an, in dem Jesus den offiziell Frommen seiner Zeit provokant das Verhalten eines vermeintlich Ungläubigen als wahrhaft vorbildhaft entgegenstellt.

Namenswahl "Samaritan's Purse ist nicht ohne Ironie

Das ist nicht ohne Ironie, denn geführt wird Samaritan's Purse von Franklin Graham, Sohn des als Maschinengewehr Gottes bekannten Billy Graham. Wie sein verstorbener Vater vertritt er die streng evangelikale Strömung im christlichen Spektrum; mithin jene, die für sich in Anspruch nehmen, besonders rechtgläubig zu leben. So bezeichnete er den Islam einst pauschal als „böse und teuflisch“ und sorgte wiederholt mit homophoben Ansichten für Wirbel.

Die Aktion läuft hochprofessionell und trägt auch das renommierte Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Auf der Homepage gibt es neben Mitmach-Anleitungen für Firmen oder Kitas sogar Material für Lehrer, die „Weihnachten im Schuhkarton“ in ihren Unterricht einbinden wollen. Aufbereitet für Deutsch, Englisch, Musik, Kunst, Sozialwissenschaft und natürlich Religion/Ethik.

Samaritan's Purse zählt zehn Mitglieder

Nach Auskunft von Deutschland-Sprecher Tobias-Benjamin Ottmar zählt Samaritan's Purse hierzulande nur zehn Mitglieder, wird aber von mehr als zehntausend Ehrenamtlichen unterstützt. Allein in Nürnberg gibt es zehn Abgabestellen für die Schuhkartons, darunter ein Autohaus, ein Spielzeuggeschäft, ein Buchladen. Bevor sie verschickt werden, werfen Samaritan's-Mitarbeiter in alle Pakete einen Blick. Erlaubt sind zum Beispiel nur Neuwaren.

Sendungen aus Deutschland gehen vor allem nach Osteuropa - wohin genau ist von der jeweiligen Corona-Lage abhängig - und werden dort von Partnergemeinden an die Kinder bedürftiger Familien verteilt. „In der Regel am Ende einer Feier mit weihnachtlichem Rahmenprogramm“, erklärt Ottmar. „Mit den Geschenken spiegeln wir die vorbehaltlose Liebe Gottes zu den beschenkten Kindern.“ Ziel sei, den Menschen von Jesus zu erzählen. Angeboten wird im Anschluss auch ein Glaubenskurs, an dem seit 2010 schon fast 20 Millionen Kinder teilgenommen haben.


Corona: Viele Deutsche erwartet ein Weihnachten in der Isolation


Genau hier wird es aus Sicht anderer christlicher Vertreter kritisch. Man lehne „Missionierungs-Praktiken ab, bei denen Geschenke für bedürftige Kinder als Türöffner und Werbemittel für Missionsaktivitäten eingesetzt werden“, heißt es beim Bistum Trier. „Das gilt besonders für eine Missionierung von Angehörigen nichtchristlicher Religionen.“ Stattdessen sei man für die Ökumene und den Dialog der Religionen.

"Die Grundidee ist eine wunderbare"

Auch Stefan Ark Nitsche, evangelischer Regionalbischof von Nürnberg, tut sich schwer. Er könne schon verstehen, dass die Aktion viele Spender anspreche. „Die Grundidee ist eine wunderbare und gehört zu einem Christentum, das nicht nur redet, sondern auch tut.“ Die Zitate allerdings, die es von Frank Graham gebe, ließen einen schon stutzig werden.

Aktions-Sprecher Ottmar kennt all diese Einwände, bleibt aber entspannt und selbstbewusst: „Der gelebte Glaube ist bunt.“

3 Kommentare