Wenn Autos Daten sammeln: "Wir Verbraucher versagen"

24.2.2017, 17:07 Uhr
Wenn Autos Daten sammeln:

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Herr Prof. Roßnagel, neue Autos ähneln Computern auf vier Reifen, die zudem jede Menge Nutzerdaten generieren: Täuscht dieser Eindruck?

Alexander Roßnagel: Dieser Eindruck stimmt. In einem Auto, das heute verkauft wird, stecken im Durchschnitt 80 kleine Computer und viele Sensoren - damit das Fahrzeug zum Beispiel automatisch die Spur hält oder piept, wenn der Sicherheitsgurt nicht angelegt ist.

Ist das denn problematisch?

Roßnagel: Es ist kein Problem, wenn die anfallenden Daten im Auto bleiben und spätestens, wenn der Zündschlüssel abgezogen wird, wieder gelöscht werden. Und heute ist das in vielen Fällen auch so.

Aber?

Roßnagel: Aber der Trend geht zum automatisierten Fahren und damit zum vernetzten Auto. Das Auto wird zum rollenden Smartphone. Damit können potenziell alle diese anfallenden Daten auch nach außen übertragen und ausgewertet werden. Das geschieht zunehmend.

An wen werden meine Daten übertragen? Und warum?

Roßnagel: Hersteller, Werkstätten, Arbeitgeber, App-Anbieter, die Polizei: Die Liste derjenigen, die ein Interesse an diesen Daten haben, ist sehr lang. Kfz-Versicherer, die denjenigen vergünstigte Tarife anbieten, die ihr Fahrverhalten kontrollieren lassen, gibt es ja schon heute. Ein Arbeitgeber könnte wissen wollen, wo seine Angestellten gerade unterwegs sind. Jedes dieser Interessen ist irgendwo begründbar. Aber damit ist noch nicht gesagt, dass das auch im Interesse von mir als Fahrer liegt.

Zu Prof. Dr. Alexander Roßnagels wichtigsten Forschungsbereichen gehören alle Fragen rund um das Thema Datenschutz. Wir trafen ihn auf der Netlaws-Konferenz in Nürnberg. Roßnagel ist 66 Jahre alt, stammt aus Mannheim.

Zu Prof. Dr. Alexander Roßnagels wichtigsten Forschungsbereichen gehören alle Fragen rund um das Thema Datenschutz. Wir trafen ihn auf der Netlaws-Konferenz in Nürnberg. Roßnagel ist 66 Jahre alt, stammt aus Mannheim. © F.: le Claire

Was lässt sich mit meinen Daten schon heute anstellen?

Roßnagel: Man kann nicht nur nachvollziehen, wann Sie wohin gefahren sind, sondern zum Beispiel auch, mit wem Sie sich regelmäßig treffen. Fahren an einem bestimmten Wochentag zur selben Zeit immer drei Autos an der gleichen Stelle, liegt ein Zusammenhang nahe. Nach und nach entstehen so ganze Nutzerprofile. Dazu kommt: Das Internet wird künftig im Auto sein - und das Auto im Internet. Mit allen auch aus dieser Welt bekannten Bedrohungen.

Mit dem automatisierten, vernetzten Fahren kommen also auch neue Risiken auf uns zu. Wer oder was schützt uns davor?

Roßnagel: Es gibt das Bundesdatenschutzgesetz, das ab Mai 2018 von der europäischen Datenschutzgrundverordnung in weiten Teilen abgelöst wird. Aus meiner Sicht sind diese Regelungen aber nicht spezifisch genug, um wirklich zu wirken. Ein Beispiel: Es bringt wenig, wenn mich der Hersteller beim Kauf auf 30 Seiten AGBs darüber aufklärt, was er mit meinen Daten alles anstellt - denn wer liest das schon? Und was hilft mir das, wenn ich zwei Jahre später auf der Autobahn unterwegs bin und genau dann wissen möchte, wer gerade welche Daten über mich sammelt?

Apropos: Wollen wir das denn überhaupt? Die bisherige Erfahrung lehrt doch, dass wir Verbraucher uns eher wenig um unsere Daten scheren. Besagte Kfz–Versicherungstarife zum Beispiel sind durchaus nachgefragt.

Roßnagel: Ja, das ist leider wahr. In der Forschung heißt das "das Datenschutzdilemma". Bei Umfragen geben alle immer an, dass ihnen der Datenschutz sehr wichtig ist. In der Praxis aber wirken dann die Risiken oft abstrakt und weit weg, wohingegen der Nutzen zum Beispiel einer Musik-App fürs Auto sofort greifbar ist. Doch gerade, weil wir Verbraucher an dieser Stelle so oft versagen, wäre eine neue gesetzliche Regelung umso dringender.

Eine Forderung nach Regulierung, die so auch schon auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar 2014 aufgestellt wurde. Was ist seitdem passiert?

Roßnagel: Nichts. Die aktuelle Bundesregierung genau wie die EU-Kommission haben kein Interesse daran, sich dabei die Hände zu verbrennen. Das Thema ist nicht sexy, damit gewinnen Sie keine Wahlen. Dafür können Sie sich aber schnell an vielen Stellen unbeliebt machen, von den Sicherheitsbehörden bis zu den Versicherern. Allen, die Interesse an den Daten aus Ihrem Auto haben, ist eine ungeregelte Situation lieber.

Das hört sich aber unbefriedigend an. Denn das automatisierte Fahren kommt ja, so oder so.

Roßnagel: Ja, aber ganz hoffnungslos ist die Lage zum Glück auch nicht. Die Verordnung zum elektronischen Notruf eCall, der ab 2018 in allen Neuwagen Pflicht ist, enthält zum Beispiel einen eigenen Datenschutzartikel, der den spezifischen Risiken gerecht wird. Es geht also. Hilfreich wäre, wenn wir Verbraucher den Schutz unserer Daten wichtiger nähmen - schließlich haben wir das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Machen wir hier mehr Druck, wird das Thema auch für die Politik interessant. Wir brauchen eine eigene Regelung für die Zeit des automatisierten Fahrens.

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