Tabellen im Netz einsehbar

Zweifel an der Berechnung der Inzidenz: Behörde veröffentlicht Rohdaten

7.1.2022, 10:45 Uhr
Zweifel an der Berechnung der Inzidenz: Behörde veröffentlicht Rohdaten

© Hendrik Schmidt, dpa

Mit der Veröffentlichung von Rohdaten will das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit Sitz in Erlangen alle Zweifel an der Berechnung der Inzidenz aufgeschlüsselt nach Geimpften und Ungeimpften beseitigen.

Am Freitag schaltete die Behörde, die in Bayern unter anderem für die Erfassung und Auswertung der Corona-Fallzahlen zuständig ist, auf ihrer Internetseite die entsprechenden Tabellen samt umfangreicher Erläuterungen frei.

Anfang Dezember hatte es einen politischen Streit über die Erstellung der Corona-Inzidenzen in Bayern gegeben. Unter anderem SPD und FDP warfen dem LGL und der Staatsregierung vor, mit den verzerrten Inzidenzen unter Geimpften eine trügerische Sicherheit vermittelt und die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Die Verbreitung "fragwürdiger Zahlen" schade der Impfkampagne, hieß es damals.

Das LGL und die Regierung verteidigten daraufhin die Vorgehensweise und wollen nun ihre Argumentation mit den im Netz veröffentlichten Rohdaten noch nachvollziehbarer machen.

Der Blick in die Tabellen liefert zwar nicht sofort neue Erkenntnisse, wer sich aber durch die Zeilen und Spalten navigiert, erkennt, dass die zwischenzeitlich gängige Praxis, Personen mit unbekanntem Impfstatus der Gruppe der Ungeimpften zuzuschlagen, die Berechnung der Inzidenzen nicht gesondert verfälschten. Vielmehr lagen die Werte deutlich näher an den vier Wochen später erfolgten Nachberechnungen.

Keine genauen Zahlen, nur Schätzungen

Die Tabellen offenbaren aber auch, dass aufgrund der vielen unbekannten Faktoren nie genaue Berechnungen, sondern auch rückwirkend nur Schätzungen möglich sind. Und es zeigt sich, dass die Schätz-Ungenauigkeiten mit dem generellen Ansteigen der Infektionszahlen vom 22. September an zunahmen und Anfang Dezember eine Dimension erreicht hatten, welche dann dazu führte, diese Art der Ermittlung vorerst einzustellen.

„Auch dann, wenn die so ausgewiesene Zahl als reine „Ungeimpften-Inzidenz“ verstanden wurde, war dieses Verfahren dem Weglassen der Unbekannten im gesamten Veröffentlichungszeitraum überlegen“, sagte ein Sprecher des LGL am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Dies hätten die regelmäßig vier Wochen später vorgenommenen Überprüfungen mit allen bis dahin vorliegenden Nachmeldungen erwiesen.

Bei der Berechnung von Inzidenzen sorgen etwa zeitlich verzögerte Meldedaten zu neuen Fällen und Angaben für nachträglichen Korrekturbedarf. „Dieser variierte über die Monate mit der unterschiedlichen Belastung der Gesundheitsämter“, sagte der Sprecher. Mit Blick auf den politischen Streit betonte er: „Die Inzidenz der Ungeimpften und Geimpften war kein Leitindikator zur Beschreibung und Bewertung der Pandemielage in Bayern.“

Zweifel an der Berechnung der Inzidenz: Behörde veröffentlicht Rohdaten

© Matthias Balk, dpa

Der bayerische FDP-Abgeordnete Martin Hagen sieht sich in seiner Kritik bestätigt. In einem Schreiben erklärte er am Freitagnachmittag mit Bezug auf die veröffentlichten Rohdaten, dass die Inzidenz der Geimpften zum Jahresende 2021 mindestens doppelt so hoch gewesen sei wie von der Behörde ausgewiesen. Rechne man, so heißt es weiter, die verbleibenden unbekannten Fälle anteilig hoch, würde man sogar drei bis viermal so hohe Werte erhalten. Die Inzidenz der Ungeimpften sei, anders als von Ministerpräsident Söder zuletzt öffentlich behauptet, nicht um den Faktor 16 höher als die der Geimpften, sondern etwa um den Faktor 3.

Martin Hagen: „Die Rohdaten bestätigen unseren Verdacht: LGL und Staatsregierung haben über Wochen hinweg mit massiv verzerrten Zahlen gearbeitet. Das Infektionsrisiko Geimpfter wurde systematisch unterschätzt. Söders Gerede von der ‚Pandemie der Ungeimpften‘ hat den Bürgern eine falsche Sicherheit suggeriert, die dringende Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen wurde zu spät erkannt."