Geheimnisse aus Kochtopf und Kessel

14.8.2012, 12:55 Uhr

„Zipfel nennt man in Franken das Geschlechtsteil eines kleinen Jungen. Wenn ein Bub ins kalte Wasser hüpft, sagt man, bekommt dessen Penis die Farbe von sauren Bratwürsten“, lächelt Melitta Vogel-Singethan. „Rotes Bier und blaue Zipfel“ heißt der kulinarische Rundgang des Vereins Geschichte Für Alle. In diesem Rahmen werden diverse Fragen rund um den Kochtopf beantwortet. Sinnlich erfahrbar wird das Thema durch zwischendurch gereichte Kostproben. So wird „Eine auf der Gabel“ serviert und flankierend gibt es eine Legende darüber, warum die Nürnberger Bratwurst so klein ist.

Schuld daran soll das beliebte und 1943 zerstörte „Bratwurst Glöcklein“ gewesen sein. Eine winzige Lokalität, in der man faktisch nie einen Platz bekam. Also kam der Wirt auf die Idee, seine Würste so klein zu machen, dass man diese durchs Schlüsselloch verkaufen konnte. Nett, aber eben Folklore. Richtig ist, dass die Stadtoberen während Hungersnöten, Kriegen oder Seuchen die Fleischversorgung aufrechterhalten wollten. Also reduzierte man das Wurstgewicht von 115 auf 25 Gramm. Da aber viele Metzger damit Schindluder trieben, kam eine bindende Bratwurst-Verordnung. Darin stand auch, dass man keine Sägespäne oder Gips benutzen dürfe, um das Gewicht zu erhöhen.

Wiesel und Schwäne standen auf dem Speiseplan

Im mittelalterlichen Nürnberg gab es diverse dezentrale Märkte. Unter anderem den Korn-, den Holz-, den Sau- oder den Obstmarkt. Hier konnte die Hausfrau Äpfel und Zwetschgen oder Kraut und Knoblauch erwerben. Seine Notdurft verrichtete man seinerzeit auf dem „heimlichen Gemach“. Die mittelalterliche Bezeichnung für eine am Wohnhaus installierte Toilette. Doch ein solches Plumpsklo barg Gefahren. Wenn die Abwässer in den hausnahen Brunnen gerieten, erkrankten die Menschen an der „Roten Ruhr“. Und diese endete tödlich. Deshalb gab es die Empfehlung, sein „Müslein“ statt mit Wasser mit Dünnbier oder Rotwein aufzugießen. „Der Nebeneffekt war, dass man so Kinder und alte Menschen ruhigstellen konnte“, erklärt Vogel-Singethan.

„Zwischen den Fleischbänken“ war einst ein „Open-Air-Schlachtplatz“ beheimatet. Man schlachtete also vor Publikum und die Teile verkauften die Fleischhauer gleich an Ort und Stelle. Bekam man Gedärme und Co. nicht los, wurden diese in die Pegnitz geworfen. Vieles davon trieb Richtung Fürth. Doch einiges wickelte sich auch in die Räder der diversen Mühlen.

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Wann immer eine stillstand, musste der Mühlknecht die Därme mit einem Messer losschneiden. Doch die Räder waren glitschig und nicht selten kam ein Unglücklicher „unter die Räder“. „Ein Schluck aus dieser Kloake“, sagt Vogel-Singethan, „und man war für alle Zeit erledigt.“ Schweine waren ein teures Gut. Kühe gaben Milch und Ochsen dienten als Lkw des Mittelalters. Wie aber füllten die Menschen ihren tierischen Eiweißhaushalt auf?

Man aß zum Beispiel Wiesel, Schwäne, Katzen und Hunde. Das weiß man, da nach dem 2. Weltkrieg diverse Klogruben durchsucht wurden. Gefunden wurden nicht wie erhofft Münzen und Schmuck, sondern Knochen. Viele davon waren Hunde- und Katzenknochen und anhand der daran festgestellten Kratzspuren von Zähnen ist klar: Die Viecher starben keines natürlichen Todes. Diese für einige Teilnehmer des Rundganges schmerzhafte Nachricht versüßt die Geschichte-Für-Alle-Mitarbeiterin mit „Katzenzungen“ aus Schokolade.

Die Nürnberger Braugeschichte beginnt 1303. Damals legte die Stadt fest: Bier darf ausschließlich aus Gerste bestehen. Doch bei Gerstenknappheit gab es ein Schlupfloch. Dann war per Ausnahmeantrag auch Dinkel zulässig. Bis vor gut 500 Jahren gab es in der Noris überhaupt nur untergäriges Rotbier. Ein solches kann sich der Rundgangsteilnehmer am Ende in der Brauerei Altstadthof schmecken lassen.

Führungen jeweils samstags um 17 Uhr, Treffpunkt: Rathausplatz, Haupteingang Altes Rathaus