Schlechte Kommunikation vorgeworfen

Baiersdorf: Evakuierte warten darauf, endlich in ihre Wohnungen zurück zu dürfen

10.10.2021, 18:25 Uhr

Der Eingang zum Brandenburger Tor in der Nacht der Evakuierung. © Sebastian Weber, Kreisbrandirektion, NN

Eva Ehrhardt-Odörfer greift lieber zum Telefonhörer. Die Frage danach, was am Vorwurf, die Stadt Baiersdorf würde die Evakuierten im Stich lassen, dran ist, will die Zweite Bürgermeisterin nicht schriftlich beantworten. Die Stadt Baiersdorf, so Ehrhardt-Odörfer, habe mit den Nachwehen dessen, was vor zwei Wochen passiert ist, nichts zu tun, jegliche Kommunikation liefe über das Landratsamt. "Dieses hat von Anfang an die Kommunikation übernommen. Ich kann doch den Bewohnern nichts signalisieren, wenn ich selbst nichts weiß.

Ehrhardt-Odörfer ist bemüht, ruhig zu bleiben, spurlos geht der Ärger, der auf sie zugerollt kam, aber nicht an ihr vorbei. Ärger, der hauptsächlich daher rührt, dass ein Teil derer, die ihre Wohnung nicht mehr betreten dürfen, nach Auskünften und Perspektiven verlangt - und nirgendwo erhält. Die Misere dauert schon so lange, weil lange nicht klar war, welche Auswirkungen das Loch im Boden im Hinterhof des alten Brandenburger Hofs, das plötzlich da war, auf die nebenstehenden Gebäude haben würde. Von bis zu vier Metern Tiefe war am Tag danach die Rede. Und davon, dass das Technische Hilfswerk die Situation als so gefährlich einschätzte, dass 25 Anwohner fluchtartig ihr Zuhause verlassen mussten - weil nicht sicher war, ob Hauswände einstürzen würden. Inzwischen ist klar, dass das Loch ganze acht Meter in die Tiefe reicht. Und dass das THW recht hatte mit seiner ersten Einschätzung.

"Wir wussten lange nicht einmal ansatzweise, wie es weitergeht"

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Bernhard S. (richtiger Name ist der Redaktion bekannt) ist einer der Evakuierten. Aus einem Impuls heraus griffen er und seine Lebensgefährtin an jenem Abend nicht nur zur Jacke, sondern rafften schnell ein paar Dinge in einem Koffer zusammen. Sehr rational, so S., sei das im Rückblick aber nicht gewesen. "Dafür waren wir viel zu sehr durch den Wind." Statt die erste Nacht in der Mehrzweckhalle unterzukommen, schloss sein Vermieter eine Gästewohnung für Bernhard S., seine Partnerin sowie für einen älteren Herrn auf, der auch aus seiner Wohnung in der Pfarrgasse 6 musste. Seit zwei Wochen leben sie zu dritt auf engem Raum. "Und wir wussten lange nicht einmal ansatzweise, wie es weitergeht."

Ganz kurz durfte er noch einmal in seine Wohnung, seitdem leben er und seine Partnerin mit dem Wenigen, das sie mitgenommen und das sie sich seitdem neu angeschafft haben. Dem älteren Herrn, so S., gehe es deutlich schlechter. Er stand mit Medikamenten für einen Tag und ohne Geld da, bekam Kleidung vom Vermieter geschenkt, um überhaupt etwas zum Wechseln zu haben. "Ich verstehe nicht, weshalb sich Statiker stundenlang im Haus aufhalten dürfen und uns nicht zugestanden wird, noch einmal kurz ein paar Dinge für den Alltag zu holen." Versprochen habe man ihnen das, inzwischen werde nur noch abgewiegelt.

Das Foto der Feuerwehr zeigt das Loch im Boden. Inzwischen steht fest, dass es acht Meter tief ist. © Sebastian Weber, Kreisbrandirektion, NN

Eva Ehrhardt-Odörfer sagt, sie könne sich nicht über das Landratsamt hinwegsetzen, sei auch abhängig von Informationen der Behörde. Allerdings beantwortet das Landratsamt, bei dem angeblich alle Fäden zusammenlaufen, allein die Frage der Redaktion, wo die 25 Evakuierten untergebracht sind, mit "Hierzu liegen uns keine konkreten Informationen vor."

Dass Statiker die Räume betreten durften, sei notwendig gewesen, "um mögliche Lösungen für die örtlichen Gegebenheiten abstimmen zu können", so die Behörde. Die Eigentümer und Mieter der betroffenen Gebäude würden über die Hausverwaltung beziehungsweise Eigentümer informiert, sobald neue Informationen vorliegen. Informationen seien beispielsweise auch über "die geschätzte Dauer der Sicherungsmaßnahmen" geflossen. Bei Bernhard S. kamen sie nicht an.

Loch soll mit Beton gefüllt werden

Für Donnerstagabend ging ihm dagegen über seinen Vermieter die Einladung für ein Treffen zu. "Daran wollten auch Leute aus der Hauptstraße 20 teilnehmen, die vom Treffen gehört hatten. Die mussten aber wieder gehen", sagt S. verständnislos. Jenen, die bleiben durften, wurde mitgeteilt, dass das Loch ab kommender Woche mit Beton gefüllt werden soll. "Diese Sicherungsmaßnahmen werden nach derzeitigem Stand zirka zwei Wochen in Anspruch nehmen", so das Landratsamt in einem Schreiben an die Redaktion. "Wann die Betroffenen wieder in ihre Wohnungen können, kann erst im Verlauf der Sicherungsmaßnahmen entschieden werden." Für die Dauer dieser Maßnahmen müsse zudem die Hauptstraße für den Verkehr gesperrt werden - konkret von Montag, 11. Oktober, bis Freitag, 15. Oktober. Betroffen ist der Bereich zwischen Pfarrgasse und Judengasse. Die Sperre gilt für den gesamten Durchgangsverkehr.

Sprachliche Barrieren

Von jenen Menschen, die bis zur Evakuierung in der Hauptstraße 20 lebten, ist wenig zu hören. Das könnte daran liegen, dass es sich bei ihnen um Flüchtlinge und um Menschen mit einem schwierigen, sozialen Hintergrund handelt. Sprachbarrieren und vielleicht auch die Tatsache, dass ihr Leben ohnehin aus Höhen und Tiefen besteht, lassen sie vielleicht genügsam sein. Die Flüchtlinge, so Ehrhardt-Odörfer, würden von einer Integrationshelferin betreut. Diese kümmere sich darum, dass die Betroffenen keine behördlichen Fristen verpassen, ein Nachsendeantrag für die Post sei inzwischen gestellt. "Dort, wo sie untergebracht sind, ist es sauber, aber sehr einfach", sagt die Rathaus-Chefin. Drei Menschen müssten sich ein Zimmer teilen. Dass diese Menschen am Donnerstagabend nicht eingeladen waren, läge u.a. daran, dass es sprachliche Schwierigkeiten gebe. Und auch, dass ihre Rückkehr in die Wohnungen in der Hauptstraße womöglich komplizierter ist als das in der Pfarrgasse 6 der Fall ist. Für sie werde es ein eigenes Treffen geben.

Eigentümer ist für die Sicherungsmaßnahmen verantwortlich

Über die Ursache für die Bodenabsenkung ist nach wie vor nichts bekannt. Aufgabe des Landratsamt sei lediglich, "die akuten Gefahren abzuwehren". Die Behörde teilt außerdem mit, dass Sicherungsmaßnahmen eigentlich Sache des Eigentümers der Immobilie seien. "Seitens des Landratsamtes wurde lediglich die Nutzung der Gebäude untersagt." Weil der Eigentümer nicht handelte, sei das Amt "im Rahmen einer Ersatzvornahme" eingesprungen. Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr unter Einbeziehung eines erfahrenen Architekten, Statikers und Bodengutachters wurden auf Kosten des Verursachers beauftragt. Auch das Abfüllen des Lochs - laut Bernhard S. sei von einer sechsstelligen Summe die Rede gewesen - werde dem Immobilienbesitzer in Rechnung gestellt.

Bernhard S. hat in der kommenden Woche Urlaub. Mit Tagesausflügen wollten er und seine Partnerin den verbringen. Aber wenn eigentlich alles in der Wohnung liegt, wisse er gerade nicht, wie er die Auszeit genießen soll.