Die Stunde der Ruferin

30.6.2011, 18:40 Uhr

Immer nur Blumen, Pralinen, Wellness-Gutschein, das muss nicht sein. Zum Geburtstag der Liebsten darf der Beschenkende gern origineller zu Werke gehen. Richard Wagner etwa orderte zum 1. Weihnachtstag anno 1870 gleich mal einige Mitglieder des Zürcher Tonhalle-Orchesters und schritt klangvoll mit dem ihr gewidmeten Siegfried-Idyll an Cosimas Bett.

Nun muss man Markus Nondorf nicht gleich mit den Titanen der Bühnenkunst vergleichen, doch hatte auch er zum Geburtstag seiner besseren Hälfte etwas mehr zu sagen als irgendwas durch die Blume. Also schrieb der Schauspieler, Regisseur und TKKG-Chef — mit seiner damaligen und inzwischen Ex-Frau Katharina Tank nahm er 2008 den Kulturförderpreis der Stadt Fürth entgegen — den dramatischen Monolog „Kassandra bleibt“. Andrea Gerhard, die so Beglückte, muss baff gewesen sein. Dass ihr „Kassandra bleibt“, entstanden aus Anlass ihres 50. Wiegenfestes, prima gefallen hat, ist anzunehmen, denn sie selbst wird sich des 20-minütigen Monologs in der Neuproduktion der Kofferfabrik (Lange Straße 81) am Freitag und in vorerst vier weiteren Aufführungen bis 10. Juli szenisch annehmen.

„Er wollte es selber nicht inszenieren und bat mich darum, es zu tun“, sagt Regisseurin Brigitte Döring, eine enge Freundin Nondorfs und Mitbegründerin des TKKG-Ensembles in den 90er Jahren. Bedingung: dass er nicht reinquatscht. Tut er auch nicht, sagt Döring, die um „Kassandra bleibt“ herum ein abendfüllendes Kassandra-Theaterprojekt gestaltet hat.

Die Gescheite(rte) aus dem Personalstab der griechischen Mythologie gilt als tragische Figur, die das Unheil immer präzise voraussah, doch bei ihrer Umgebung kein Gehör fand. Das lässt nicht unbedingt Rückschlüsse auf Andrea Gerhard zu, die, wenn sie nicht als Schauspielerin auf der Bühne steht, als Sozialpädagogin beim Nürnberger Suchtberatungs-Verein Lilith aktiv und, so Döring, „eine sehr feministische, sehr engagierte und starke Frau“ ist. Nondorfs eigenwillige Liebeserklärung wolle sagen: Besser wäre die Welt, wenn es mehr Gerhards gäbe, warnende Ruferinnen, bevor es zu spät ist.

Neben dem Fürther Monolog wird es Auszüge aus Christa Wolfs Erzählung „Kassandra“ geben, in Szene gesetzt von Esther Sambale. Marie Luise Kaschnitz (Verena Schmidt) und Euripides’ „Troerinnen“ (Julia Löser) ergänzen das literarische Quartett. Die Facetten der Kassandra — im Theater in der Kofferfabrik gespiegelt ab Freitag.

„Kassandras Spiegel“: Premiere am 1. Juli, 20 Uhr, Kofferfabrik (Lange Straße 81). Weitere Termine: 2. und 8.—10. Juli. Tickets (10/7 Euro) unter Tel. 706806.