Anlaufstelle für Hilfesuchende im Landkreis ERH

28.3.2020, 15:00 Uhr

"Mensch sein und Mensch bleiben bei hohem Funktionsdruck – damit lässt sich das Erleben innerhalb vieler Familien, die bei uns Beratung suchen, beschreiben", heißt es im Vorwort, das Leiterin Simone Steiner verfasst hat. Die Zahl an Menschen, die bei der Caritas Beratung gesucht haben, ist im Vergleich zu 2018 von 1028 auf 1112 gestiegen. Diese Zahl verweist, so Steiner, allerdings nicht unbedingt auf eine Verschärfung der Lage. "Sie ist vermutlich der wachsenden Bevölkerungszahl im Landkreis geschuldet." Wenn man es positiv sieht: Die Erhöhung zeigt, dass die Beratungsstelle mittlerweile gut verankert ist im Bewusstsein der Bevölkerung. Es gab 563 Neuanmeldungen (2018: 537).

Eine andere Entwicklung gibt der Beratungsstelle zu denken. Eltern mit immer jüngeren Kindern suchen Beratung. "In der Altersverteilung setzt sich der Anstieg der unter Dreijährigen in den letzten Jahren kontinuierlich fort und liegt bei etwa zehn Prozent", so ist im Bericht zu lesen. 2014 waren es erst 4,4 Prozent. Simone Steiner hat eine Hypothese: Für Paare ist es zunehmend schwierig, die passende Rollenverteilung zu finden, nachdem Kinder geboren wurden. Die früher übliche Rollenverteilung gibt es nicht mehr. Wenn beide Partner arbeiten, muss alles immer wieder neu verhandelt und organisiert werden. "Es gibt sehr viele Stressfaktoren", so Simone Steiner. Und die könnten dazu führen, dass Paare mit kleinen Kindern in eine Sackgasse geraten und Hilfe brauchen.

Wenn diese angefragt wird, versucht die Beratungsstelle zunächst in Gesprächen herauszufinden, wo die Probleme genau liegen, um dann das weitere Vorgehen zu besprechen. Statistisch hat sich 2019 gezeigt: Beziehungsprobleme waren zu 32 Prozent der Grund, die Caritas aufzusuchen, das Thema Trennung/Scheidung zu 23,6 Prozent. Zu 17,2 Prozent waren es "Besondere Belastungssituationen", und damit sind Bedingungen gemeint, in denen "Familiensysteme bezüglich der Ressourcen Aufmerksamkeit, Zeit und Energie oft auf Kante genäht" sind. Ein dauerhaftes Gefühl des Überfordertseins kann zermürben, Partnerschaften und Familien gefährden.

Werbung
Werbung

Simone Steiner beobachtet immer wieder, dass Eltern in Stresssituationen Gefahr laufen, von kleinen Kindern bis ins Grundschulalter zu großes Vernunftdenken zu erwarten. Wenn etwa ein Termin eingehalten werden, der Hunger unterdrückt oder die Lust aufs Spielen zurückgestellt werden muss. Erwachsene könnten sich relativ gut takten und koordinieren, "wenn man das auch von Kindern erwartet, dann geht man von unrealistischen Vorstellungen aus". Kinder würden sich dann instinktiv wehren, "und das kann zu Beziehungsstörungen führen".

Aspekte wie diese sind auch immer wieder Thema in der umfangreichen Präventionsarbeit der Beratungsstelle. Die Teilnahme an Arbeitskreisen, die Durchführung von Elternabenden und Gruppenangeboten sowie Veranstaltungen in Kooperation mit anderen Institutionen waren 2019 wieder Teil der Arbeit. Motto: Der beste Klient ist der, der gar nicht kommen muss.

2019, so darf man aus jetziger Sicht sagen, war noch ein normales Jahr. Durch die Corona-Krise wird die Arbeit der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle möglicherweise noch einmal ganz anders gefordert werden. Der Tipp, den Leiterin Simone Steiner im NN-Gespräch gibt, galt schon immer, jetzt vielleicht umso mehr: Familien sollten sich in ihrem Zusammenleben zunächst auf eine "gute Gegenwart" konzentrieren. Soll heißen: Nur wenn es einigermaßen harmonisch läuft im Krisen-Alltag, sind die Voraussetzungen für eine bessere Zukunft gegeben. Leicht gesagt, aber sicher eine sinnvolle Marschroute.

Die Beratungsstelle in der Anna-Hermann-Straße in Herzogenaurach hat die Telefonnummer (0 91 32) 80 88 und die E-Mail-Adresse eb@caritas-erlangen.de. Nebenstellen gibt es in Erlangen, Höchstadt und Eckental.