Archäologie als Besuchermagnet in Möhrendorf

9.3.2020, 17:00 Uhr

"In Zukunft werd’ ich zu jeder Bürgerversammlung auch immer ein paar Scherben mitbringen!" – Mit dieser scherzhaft gemeinten Ankündigung reagierte der Möhrendorfer Bürgermeister auf den regelrechten Ansturm von Bürgern auf die Vorstellung der Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen an der Schleuse Erlangen in der Schulturnhalle der Regnitzgemeinde.

Der Bürgermeister musste sogar höchstselbst Hand anlegen, um mit zusätzlich herbeigekarrten Stuhlreihen den über 200 Interessierten genügend Sitzplätze anbieten zu können, die zwei Stunden lang gespannt den Erläuterungen der Wissenschaftler lauschten. Im Zuge des anstehenden Neubaus der Schleuse Erlangen hatte die Wasser- und Schifffahrtsstraßenverwaltung bekanntlich entschieden, die betreffenden Flächen untersuchen zu lassen, um "Risiken auszuräumen" und dadurch einen zügigen Baufortschritt zu gewährleisten.

Aus Sicht der beauftragten Archäologen war nach den Worten von Grabungsleiterin Theresa Losert "sehr früh klar, dass hier Grabungen nötig sind". Erste Erkundungen vor Jahresfrist ergaben denn auch zahlreiche Reste sogenannter Pfostenlöcher, Feuerstellen und Abfallgruben. Daraus könne geschlossen werden, dass vermutlich sogar mehrere Siedlungen aus der Bronzezeit, also vor rund 3300 Jahren, zeitlich nacheinander dort existierten.

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Nachdem die Arbeiten im Sommer wegen des Schutzes der Trinkwasserbrunnen der Stadt Erlangen unterbrochen werden mussten und erst im Herbst fortgesetzt werden konnten, liegen nun die endgültigen Ergebnisse vor: 125 Verfärbungen des Bodens habe man entdeckt, 50 davon enthielten sogenanntes Fundmaterial, im Wesentlichen in Form von Keramikscherben. Wenige große Stücke darunter bestätigten die zeitliche Einordnung in die "späte Bronzezeit um 1300 v. Chr.". Auch habe man vier Kreisformen von im Schnitt acht Metern Durchmesser entdeckt, die auf Hügelgräber hindeuteten, so die Grabungsleiterin. Wegen der erheblichen Erosion des Sandbodens auf dem leicht abschüssigen Gelände einerseits und der landwirtschaftlichen Bearbeitung über die Jahrtausende hinweg andererseits sei von den Grabhügeln freilich äußerlich nichts zu sehen gewesen. Auch habe man weder Grabbeigaben noch Knochenreste finden können, da diese entweder durch den relativ luft- und wasserdurchlässigen Sandboden bereits früh zersetzt oder von Wind und Wetter fortgespült worden seien.

Die vorgefundenen bronzezeitlichen Siedlungen dürften nach Einschätzung der Archäologen mehrere sogenannte Langhäuser von jeweils etwa zwölf mal sechs Metern beherbergt haben, die gleichzeitig als Stallungen und zu Wohnzwecken genutzt wurden. Zwischen 50 und 100 Menschen dürften an diesem Platz über einen längeren Zeitraum hinweg gelebt haben. Sie lebten von Ackerbau und Viehzucht. Gefunden wurden Reste von Reibsteinen zur Herstellung von Mehl und Teile großer Gefäße, in denen vermutlich Getreide gelagert wurde. In zwei Gruben fanden sich als Gewichte benutzte Keramikstücke für einfache Handspindeln – ein Beweis dafür, dass in der Siedlung Wolle oder Flachs zu Garn versponnen wurde.

Ein einziger gefundener unförmiger Bronze-Gusstropfen zeigt, dass die Bewohner der Siedlung bereits Metallobjekte kannten und womöglich selbst verarbeiteten. Angesichts der Lage auf einem trockenen Höhenrücken zwischen der damals noch mäandernden Seebach als Trinkwasserspender im Westen einerseits und der damaligen "Hauptverkehrsader" Regnitz im Osten andererseits sei dies eine bevorzugte Siedlungsstelle gewesen – ähnlich wie die vor 25 Jahren schon untersuchte frühgeschichtliche Siedlung auf dem Höhenrücken über Kleinseebach, die freilich deutlich jüngeren Datums ist. Ob Kontakte zu anderen Siedlungen in der gleichen Zeit, etwa auf dem Walberla, bestanden, können die Wissenschaftler nicht bestätigen.

Weitere Ausgrabungen in der Umgegend der Schleuse wird es allerdings auch nicht geben, wie Stefanie Berg vom Landesamt für Denkmalpflege erläuterte: eventuelle weitere Fundstätten seien durch die menschliche Nutzung vor vielen Jahren schon "komplett zerstört" worden. So wird es wohl auch für immer ein Geheimnis bleiben, woher das bei den Grabungen zutage geförderte 6000 Jahre alte Steinbeil aus der Jungsteinzeit stammt, ob es Tauschzwecken oder als Geschenk diente, seiner Ästhetik oder des Gebrauchswertes wegen, und wie es in die bronzezeitliche Siedlung bei Möhrendorf kam.