Aus-Gezeichnetes aus Erlangen

16.1.2019, 14:30 Uhr

Den Künstlerinnen Birgit Bellmann, Ursula Kreutz und dem Fürther Künstler Andreas Oehlert widmet das Kunstmuseum in der Nürnberger Straße seine sechs Räume. Was sowohl auffällt als auch erst einmal irritiert, ist eine "Bodenzeichnung" aus blauem Papierklebeband im großen Saal, die die Erschafferin Ursula Kreutz als pfiffige Anregerin ausweist, sich den Boden genauer anzuschauen, auf dem man geht.

Dieses Fundament nutzt die "Bodenkünstlerin" – so die Kuratorin der Ausstellung, Martina Sutter-Kress, die Ursula Kreutz bereits vor zehn Jahren für Erlangen entdeckte – zur Irritation, indem sie mysteriös wirkende temporäre Strukturen vor allem auf dem Straßenasphalt hinterlässt. Davon zeugen fast dreidimensional wirkende Fotografien im (durch eine Wand geteilten) Barocksaal, die in ihrem umbra-grauen Farbton ihre magische Wirkung nicht verfehlen. Die in Berlin lebende Erlangerin Birgit Bellmann ist der Kuratorin ebenfalls seit zehn Jahren bekannt und sie hatte schon in deren (2009 aufgegebenen) Galerie ausgestellt. Für die Ausstellung im Kunstmuseum bespielt sie eine ganze Wand im großen Saal, auf der sie gut zwei Dutzend Kohlepapierzeichnungen präsentiert. Diese beschäftigen sich mit herausragenden Persönlichkeiten der Zeit- und Weltgeschichte, die immer wieder als Referenzpunkte in den Zeichnungen auftauchen.

Bellmann ist aber auch im westlichen Kabinett des Kunstmuseums zu entdecken, wo vor allem ihre überdimensionale Arbeit mit dem sperrigen Titel "Spot where the famous Cullinan was found" hängt, ein etwa zwei auf drei Meter großes (Bett-)Laken, auf dem eine Tusche-Zeichnung dem Arbeitstitel Sinn gibt: Die schwarzen Strukturen auf der Leinwand sind der erdachte Abraum der Diamantenmine im südafrikanischen Cullinan, in der 1905 der größte jemals gefundene Diamant ausgebuddelt wurde.

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Dass Bellmann den Abraum zeigt (neben zwei Bildern von Edelsteinen), ist ihrer Philosophie geschuldet: Sie interessiert sich dafür, wie "wertlose" Materialien durch kunstvolle Bearbeitung wertig werden. Der Beweis ist im Foyer zu sehen – eine leicht zu übersehende Figur aus bronziertem Gips, von ihr mit einem schönen Sgraffito versehen und dadurch aufgewertet.

Der einzige Mann im Kunstmuseum ist der Fürther Andreas Oehlert, in Erlangen letztmals im Herbst 2018 "auffällig" geworden, als im Durchgang des Translational Research Centers (TRC) zur Schwabach seine beeindruckende Installation "red/flow" – 189 Halbkreissegmente aus in unterschiedlichen Rottönen lackiertem Edelstrahl – übergeben wurde. Im Kunstmuseum ist Oehlert zwar zurückhaltender, aber trotzdem stark vertreten: Seine zahlreichen grafischen Malereien wirken immer wie Rätsel und zeugen von einer fast stoischen Geduld des Malers.

Eine sehr witzige Installation mit dem Titel "Division" – anspielend auf das Prinzip der Zellteilung – zeigt die ungemein präzise und überlegte Arbeitsweise des Künstlers, dessen malerisches Werk wie eine Orgie in Ornamenten wirkt.

Neue Öffnungszeiten des Kunstmuseums: Mi., Fr., Sa. 11 bis 15 Uhr, Do. 11 bis 19 Uhr, So. 11 bis 16 Uhr. Kuratorenführung am Donnerstag, 31. Januar, ab 19 Uhr, KünstlerInnengespräch zur Finissage am Sonntag, 17. Februar, ab 14 Uhr.

 

Ebenfalls kein Unbekannter ist der im Kunstverein in der Hauptstraße gastierende Kai Klahre – er war dort bereits 2016 in einer Gemeinschaftsausstellung zu sehen. Dass er diesmal alle Räume zur Verfügung hat, tut der Schau gut, kann er doch alle Facetten seiner wie aus der Zeit gefallenen Kunst zeigen. Seine Zeichnungen wirken manchmal wie die Vorlagen für ein Gemälde, meist aber sind sie so fein ziseliert und präzis im Detail, dass man sich in Werke großer Meister (wie Michelangelo, Leonardo Da Vinci oder Albrecht Dürer) versetzt glaubt. Dass er sich daneben auch als Maler und gelegentlicher Bildhauer behaupten kann, muss man bei dem in Nürnberg lebenden gebürtigen Hallenser bewundern.

Im Kunstverein kann man beobachten, wie Kai Klahre dem Papier durch Verdopplung Tiefe verleiht, "das Papier verlässt seine Rolle und wird selbst Akteur", wie es die Nürnberger Kunstgeschichtlerin Theresa Bischof ausdrückt.

Sie attestiert Klahre einen "virtuosen Kopf mit einer ordnenden Hand". Sein motivisch in der Kunstgeschichte verankertes Werk greift Klassisches von Molière ebenso auf wie er die Geschichte Böhmens thematisiert und lässt einen Samurai (ausgestorben) auf den ebenfalls ausgestorbenen Urvogel Dodo treffen. Und seine Farbbilder erzählen ebenfalls Geschichten, von denen man gerne wissen würde, wie sie ausgehen.

Erlangens Kulturreferentin Anke Steinert-Neuwirth, die beide Ausstellungen eröffnete, zeigte sich von der Qualität der Schauen sehr angetan. Mit den vielen Spielorten – für Erlangen könnte sie sich für das nächste Mal noch einen zusätzlichen vorstellen – würden die zeichnerischen Potentiale in den Region angemessen ausgeschöpft und zeigten deren Vielfalt. Dabei gelinge es den einzelnen Häusern durchaus, ein eigenes Profil herzustellen.

Öffnungszeiten beim Kunstverein: Di., Mi., Fr. 15 bis 18 Uhr, Do. 15 bis 19 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr, Finissage am Sonntag, 10. Februar, ab 15 Uhr; der Künstler ist anwesend.