Erlangens OB zum Klimacamp

"Bitte keine Spielchen mehr"

7.10.2021, 12:30 Uhr

Das Klimacamp stand 123 Tage auf dem Besiktas-Platz, ehe die Aktivisten es freiwillig räumten. Sie wollen nun wieder anders geartete Protestformen voranbringen. © Klaus-Dieter Schreiter, NN

Herr Oberbürgermeister, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Erlangen 123 Tage lang ein Klimacamp auf dem Besiktas-Platz besaß?
Da habe ich zwei Perspektiven, aus denen ich antworte: Einmal die Sichtweise als Leiter der Stadtverwaltung, zu der auch die Ordnungsbehörde gehört, einmal mit meiner persönlichen, politischen Meinung. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die, das möchte ich betonen, in keinerlei Einfluss zueinander stehen.

Was sagt der erste Schuh?
Dass jeder grundsätzlich das Recht auf Demonstration besitzt und die Stadt selbstverständlich jedem dieses Recht auch ermöglicht. Dass aber gerade jetzt mit Corona besondere Auflagen existieren, die dieses Recht ein Stück weit einschränken. Das muss man akzeptieren, das hat nichts mit den Ideen und Ansichten zu tun, für die irgendjemand demonstriert.

Und der zweite Schuh?

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Grundsätzlich halte ich jedes Engagement für mehr Klimaschutz für großartig und jede einzelne dieser Aktionen auch für total wichtig. Ich hätte mir nur zu Beginn gewünscht, dass das Gesprächsangebot der Stadt für einen konstruktiven Austausch angenommen wird. Im Falle des Klimacamps hatte ich den Eindruck, es bestand vielleicht gar kein Interesse dazu. Das finde ich schade. Denn, und da sind wir noch mal bei mir als Politiker und als Mensch: Es gibt inhaltlich gerade beim Klimacamp viel, was uns verbindet und deutlich weniger, was uns trennt. Daher ist es umso bedauerlicher, dass Teile dieser Gruppe diese Gespräche nicht führen möchten.

"Keine Spielchen mehr"

Die Aktivisten haben angekündigt, im Frühjahr wieder kommen zu wollen. Es ist anzunehmen, dass der Ärger, den es diesmal gab und den Sie ansprechen, sich wiederholt.
Deshalb habe ich den Wunsch und die Bitte, dass es diesmal keine Spielchen mehr gibt, sondern die Aktivisten uns die Arbeit erleichtern, indem sie bereit sind, sich ordentlich mit uns abzusprechen.

Das Klimacamp stand 123 Tage auf dem Besiktas-Platz, ehe die Aktivisten es freiwillig räumten. Sie wollen nun wieder anders geartete Protestformen voranbringen. © Foto: von Draminski

War damit denn das Tischtuch zum Oberbürgermeister zerschnitten, oder haben Sie von Ihrer Seite dann das direkte Gespräch im Camp gesucht?
Ich bin bestimmt drei, viermal gezielt zum Klimacamp gelaufen und habe mit Einzelpersonen gesprochen, die dort vor Ort waren. Ich hatte insgesamt den Eindruck, dass für den Aufwand, der dort betrieben wird, nur wenig Menschen erreicht werden. Es waren auch häufig nur sehr wenig Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort, oft nur die Mindestbesatzung. Daher verstehe ich, dass die Gruppe erkannt zu haben scheint, dass andere Aktionen wirkungsvoller sind. Die Außenwirkung des Camps und somit der Fokus auf die Ziele jedenfalls, so mein persönlicher Eindruck, hätte besser sein können.

Das Klimacamp soll die Politiker dauerhaft an ihre Verantwortung erinnern. Bewirkt es das? Hatten Sie ein schlechtes Gewissen beim Vorbeilaufen?
Sagen wir so: Wenn, wie vor zehn Tagen geschehen, viele Tausend Menschen auf die Straße gehen und laut sind, hat das für mich einen stärkeren Effekt, als wenn man eine Zeltstadt errichtet, in der häufig nur ein bis zwei Personen sitzen.

"Wir müssen schneller werden"

Die Forderungen der Demonstranten und des Klimacamps sind identisch: Die Klimaziele werden nicht schnell und ernsthaft genug angegangen. Teilen Sie diese Meinung?
Diese Kritik ist total gerechtfertigt und objektiv richtig. Wenn wir die Klimaziele, zu denen wir uns auch verpflichtet haben, erreichen wollen, müssen wir schneller werden. Daher habe ich hohe Sympathie zu denjenigen, die den Druck aufrechterhalten. Aber es liegt nicht nur an der Politik, es gibt zivilgesellschaftlich noch viel Diskussionsbedarf. Durch den Druck wird das weiter angeschoben.

Aber der Politik wird vorgeworfen, nichts zu tun.
Das ist nicht richtig, es wird und wurde schon viel getan, aber es geht nicht schnell genug. Wir haben noch nicht das Tempo angekommen, das es braucht, um Veränderungen zügig durchzusetzen. Ein Beispiel: Alle wollen den Radschnellweg Erlangen-Herzogenaurach. Trotzdem brauchen wir im besten Fall fünf Jahre für die Planung und 1,5 Jahre für den Bau. Das ist einfach zu langsam.

"Das Thema ist nicht durchkommuniziert"

Privatwirtschaftlich gibt es genügend Beispiele auch in Erlangen, dass es schneller geht: Etwa im Siemens-Campus oder jüngst beim Bau einer Sporthalle von der Franconian International School. Wird hier die Demokratie zum Problem, stehen die Prozesse dem Wandel im Weg?
Das ist weniger eine Frage der Finanzierung, sondern mehr, wohin sich die politischen Entscheidungsabläufe entwickelt haben. Im Beispielfall haben wir sogar die Mehrheiten - aber die Planungsverfahren sind derart aufwendig, weil so viele Einzelinteressen berücksichtigt werden. Wir haben die Eigentümer der Grundstücke, den Naturschutz, Brückenbau - jedes ein für sich berechtigtes Einzelthema. Aber gleichzeitig auch unser Dilemma, weil wir so keine schnelle Wende unserer Infrastruktur schaffen können, sondern extrem langsame Entscheidungen haben.

Also hat die Nürnberger CSU Recht, wenn sie das Klimacamp in ihrer Stadt auffordert, die Stadt zu räumen mit der Begründung, das Thema sei "längst durchkommuniziert"?
Diese Meinung teile ich nicht. Wir haben ein Demonstrationsrecht und es ist unsere Pflicht als Staat, dieses Recht zu schützen und zu ermöglichen. Wenn ich die Diskussion so führe, ist es nicht hilfreich. Inhaltlich gesehen haben wir zudem viele Stellen, an denen wir die Menschen für das Thema Klimaschutz noch erreichen müssen. Ja, es gibt schon eine überzeugte Community, aber es gibt auch noch mehr Skepsis. Diese Menschen mit ihren Ängsten müssen wir mitnehmen und ihnen klarmachen, dass ihr Leben mit Veränderung nicht zwingend schlechter wird. So gesehen ist dieses Thema alles andere als bereits durchkommuniziert.