Dreddy, der Realist: Dustin Brown in Eckental

31.10.2017, 09:00 Uhr

Im Doppel: Maximilian Marterer (hinten links) und Dustin Brown.

Wirft man die Begriffe Dustin Brown und Publikumsliebling in eine große Internet-Suchmaschine, bekommt man schnell das Gefühl, dieser Dustin Brown war schon überall – und überall war er Publikumsliebling. Natürlich auch in Eckental, wo er im House of Sports bereits seit mehreren Jahren regelmäßig zu Gast ist. Einmal, im Jahr 2009, hat er es sogar ins Finale geschafft. Auf den Sieg bei diesem ATP-Challenger-Turnier wartet der 32-Jährige allerdings noch.

Doch Dustin Brown, Spitzname Dreddy, ist kein Liebling, weil er immer gewinnt. Dustin Brown ist ein Liebling, weil er immer kämpft. Und wahrscheinlich auch einfach deshalb, weil man ihn nicht vergisst. Das liegt an seinen auffälligen Haaren, die dunklen Dreadlocks fliegen bei harten Schlägen wild durch die Luft, und es liegt an seinem offensiven Spielstil, Serve-and-Volley, Angriff pur.

Anders als die anderen.

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Die Mutter Deutsche, der Vater Jamaikaner, ist Brown auch in der Tennis-Welt anders aufgewachsen als viele seiner Kollegen. Als kleiner Junge wollte er es unbedingt nach Wimbledon schaffen, seine Eltern fuhren ihn zu den Turnieren, große Förderer hatte er nicht. 2015 spielte er dann tatsächlich in Wimbledon und gewann auch noch in der zweiten Runde völlig überraschend gegen Rafael Nadal. Eine Runde später war auch für Brown Schluss.

Für den spanischen Weltklassen-Spieler war es ein Ausrutscher, für den Deutsch-Jamaikaner auch. Blieb der eine auf den großen Tennis-Courts, spielte der andere weiter auf den Nebenschauplätzen dieser Erde. Vor einem Jahr war Brown die Nummer 64 der Welt. Seither geht es wieder abwärts. Der Körper machte nicht mehr mit, ein Bandscheibenvorfall zwang den Profi zur Pause. "Jetzt ist mein Körper wieder in Ordnung."

Wie hart es ist, sich immer wieder herankämpfen zu müssen, und doch nie ganz oben anzukommen, zeigt Brown nicht. Stattdessen probiert er es mit Realismus. "Es kommt drauf an, was ganz oben ist. Roger Federer wird keiner von uns mehr werden. Das hat nichts mit Kämpfen zu tun", sagt der 32-Jährige. "Man versucht, so hoch wie möglich zu stehen, um mehr Punkte und mehr Geld zu verdienen. Man wird durch verschiedene Sachen, ob im persönlichen Leben oder Verletzungen, zurückgeworfen. Aber das gibt es auch in jedem normalen Job. Man versucht eine Beförderung zu bekommen, bekommt sie nicht. Ich denke, das ist bei jedem das Gleiche."

Und doch ist es beim Profi-Tennis vielleicht noch etwas härter. "Es gibt gute und schlechte Wochen. Bei uns im Beruf ist es eben so, dass man im Normalfall jede Woche einmal verliert", sagt Brown. Er sagt das nicht traurig, nicht aus Neid auf diejenigen, die ganz oben in der Weltspitze eben doch immer gewinnen. Er sagt es einfach, weil es so ist. "Auch wenn die Erfolgserlebnisse da sind — diese sind eher kurz. Letztendlich ist es sehr selten, dass man mal eine Woche beendet, ohne zu verlieren." Und doch ist das immer wieder aufs Neue das Ziel.

Auch in Eckental. Diesmal reist Brown als Weltranglisten-121. an, zum Favoritenkreis im Einzel zählt er nicht. "Was geht, muss man sehen. Es ist nicht einfach, man kann in der ersten Runde verlieren, man kann weit im Turnier kommen. Es ist immer schwierig, es vorherzusagen. Meist sind es ein paar Bälle hier und da." Und Dustin Brown ist niemand, der in seiner kratzigen Stimme etwas vorhersagen würde. Dafür ist der Deutsch-Jamaikaner viel zu sehr Realist. "Klar möchte jeder das Turnier gewinnen. Doch man geht Runde für Runde."

Das Publikum im House of Sports wird ihn dabei wieder redlich unterstützen. Doch deswegen kommt der gebürtige Niedersachse nicht beinahe jedes Jahr her, auch dafür ist es viel zu sehr Profi — und viel zu wenig Romantiker. "Die meisten spielen jetzt noch, weil sie Punkte brauchen für die Australien Open. Nach einem langen Jahr ist es für die meisten angenehm, wenn man zu Hause spielen kann", sagt Brown.

Zu Hause ist er in Winsen an der Aller, eine Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Celle, doch für Tennisprofis, die das gesamte Jahr über auf der ganzen Welt unterwegs sind, reicht Deutschland schon als "zu Hause". Im vergangenen Jahr hat Brown zu dieser Zeit die Qualifikation in Paris gespielt. "Da wäre ich dieses Jahr nicht reingekommen." Also wieder Eckental, dieser Winzling im ATP-Dschungel, mit einer Halle in einem Fitness Studio und einem Teppichboden, der eigentlich gar nicht mehr den Regeln entspricht.

Die Sportler allerdings mögen das, auch Dustin Brown: "Es ist einer meiner Lieblingsbeläge, hier kann ich aggressiver mein Serve-and-Volley spielen." Und das nicht nur im Einzel, sondern natürlich auch im Doppel. In diesem Parallel-Wettbewerb tritt Brown gemeinsam mit dem ehemaligen Uttenreuther Maximilian Marterer an. "Wir kennen uns schon lange, haben öfters zusammen trainiert. Wir wollten unbedingt mal ein Doppel zusammen spielen. Auf den Turnieren machen wir viel zusammen, gehen abends Essen, spielen abends Fußball auf der Playstation zusammen."

Geholfen hat es anscheinend. In der ersten Runde besiegten Brown und Marterer (Bild oben) die beiden Deutschen Benjamin Hassan und Tim Hoffmann am Montagmittag mit 6:2, 6:4. Im Einzel steht am heutigen Dienstag das erste Duell an, Dustin Brown trifft auf den Franzosen Kenny de Schepper (16.30 Uhr), direkt im Anschluss spielt Marterer gegen Mathias Bourgue. Der Publikumsliebling und der Lokalmatador gemeinsam an einem Abend. Und trotzdem nichts für Tennis-Romantiker.

Alle Informationen zum ATP-Challenger, Spielplan für die Feiertage und Live-Ergebnisse gibt’s unter www.challenger-eckental.de