Soul und Post-Punk

Erlangen: Entspannte Freibad-Konzerte

25.7.2021, 11:35 Uhr

Die deutsche Soulsängerin Joy Denalane, frisch mit einem Plattenvertrag des Labels Motown Records ausgestattet, beim Konzert mit Band auf der Spielwiese des Freibads West. © Hans von Draminski, NN

Die Diva: Joy Denalane war für eine sehr lange Zeit eine, wenn nicht die Galionsfigur des deutschen Soul. Eine ungemein charismatische Künstlerin, die energisch und intelligent gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung kämpft. Und die es in der Vergangenheit verstand, auch große Clubs wie den Nürnberger "Hirsch" zu rocken.

Irritierend "handzahm"

Auf der Spielwiese des Freibades West gibt sich die präsente Soul-Röhre allerdings schon irritierend "handzahm". Vielleicht liegt das ja daran, dass es ihr als erster deutscher Soulsängerin gelungen ist, einen der begehrten Plattenverträge beim Kultlabel "Motown Records" zu ergattern.

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Rauchige Schmusestimme

Das erzählt sie freudestrahlend ihren Erlanger Fans. Und das ist offenbar auch Programm. Denn Joy, die man an sich als Bühnentier mit sympathischen Ecken und Kanten kennt, serviert mit rauchiger Schmusestimme von Pianomann Roberto Di Gioia auffallend perfekt arrangierte, superglatt in die Gehörgänge gehende Soul-Songs – die man wenig später wieder vergessen hat.

Supersanft und supernett

Das ist alles supersanft, supernett, aber gemessen an Denalane-Maßstäben definitiv zu unverbindlich. Die Krallen der Katze bleiben eingefahren. Für einen entspannten Sommerabend taugt das dennoch. Nur die penetranten Mücken stören die Idylle.

Klitterer und Etikettenschwindler

Die Post-Punker: Ganz anders krachen lassen es die Berliner Jungs, die mit ihrem Projekt "Von wegen Lisbeth" Punk-Klischees nur scheinbar bedienen und in Wahrheit geniale Klitterer und Etikettenschwindler sind. Denn die Band um Frontmann Matthias Rohde hat in jenem Land hinter der Zeit, das Kenner irgendwo in den Achtzigern verorten, eine Reihe hartnäckig unwiderstehlicher Akkordschemata gesucht und gefunden.

Synthesizer-Blubbersounds

Dazu kommen die charmant verstaubt klingenden Synthesizer-Blubbersounds aus der selben Epoche: Chansons, bei denen als Autor PacMan verantwortlich zeichnen könnte. Dass der Großteil des heutigen Publikums in einem Alter ist, in dem die Eltern waren, als sich Gruppen wie Aha oder Duran Duran in den Charts drängelten, garantiert "Von wegen Lisbeth" den notwendigen Neuigkeitswert.

Charmante Doppellüge

Deshalb ist Rohdes Behauptung, man spiele "Punkrock, der sich nicht reimt", auch eine charmante Doppellüge. Zum einen reimt sich hier ganz viel, zum anderen hat sich "Von wegen Lisbeth" maximal die Attitüde von den Punk-Vätern geborgt.

Hinterfragte Zustandsbeschreibungen

Die Texte sind nicht Protest, sondern hinterfragte Zustandsbeschreibungen des Twentysomething-Daseins zwischen Stammkneipe und Beziehungscrash. Ach ja: Tanzen lassen sich die Nummern auch. Der Spaßfaktor, er wäre riesig. Wenn da nicht wieder die Mücken … Sie wissen schon.