Erlanger Experte: Krebspatienten bekommen trotz Corona jede Hilfe

17.9.2020, 11:00 Uhr

Herr Professor Mackensen, bei Krankheiten geht es derzeit fast nur um Corona, hat Covid-19 das Thema Krebs in den Hintergrund gedrängt?

Krebserkrankungen machen ja leider nicht Halt vor Corona. Ein wichtiges Entscheidungskriterium für eine Krebstherapie während der Pandemie war natürlich die Eigenschaft der Krebserkrankung. Ist es ein schnell wachsender Tumor wie eine akute Leukämie, der unmittelbar lebensbedrohlich sein kann? Bei solchen Patienten konnten wir nicht warten, da mussten wir behandeln, ob mit oder ohne Corona-Pandemie. Wir mussten schauen, dass wir die Patienten, die eine stark immun-unterdrückte Therapie erhalten, besonders gut schützen bzw. wenn vertretbar, diese Therapie pausieren. Inzwischen hat sich wieder alles normalisiert und Therapieentscheidungen werden durch Corona praktisch nicht mehr beeinflusst.

Wie wichtig ist das jüngst eingerichtete kostenlose Bürgertelefon des BZKF für Betroffene und Angehörige?

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Es ist sehr wichtig. Patienten und Angehörige haben verständlicherweise einen sehr hohen Informationsbedarf, wenn in der Familie eine Krebserkrankung vorliegt. Das Problem ist, dass heute über das Internet jeder schnell und leicht an zahlreiche Informationen kommen kann. Aber diese Information zu filtern, also zu erkennen, was wirklich seriöse Empfehlungen sind, das ist für Krebspatienten und ihre Angehörigen extrem schwer. Insofern ist es wichtig, dass die Betroffenen jetzt die Möglichkeit haben, bei Fragen das Bürgertelefon des BZKF anzurufen und adäquate Antworten sowie Informationen zu erhalten.

Welche Fragen sind das?

Die Anrufer erkundigen sich bei uns zum Beispiel über neue Therapieformen gegen Krebs. Wenn etwa die Medien über neue erfolgreiche Tumor-Immuntherapien beim Hautkrebs berichten, denken viele Betroffene, dass diese Medikamente bei allen Krebserkrankungen wirken, was aber leider nicht so ist.

Das ist die medizinische Seite. Was bedeutet das Angebot menschlich?

Der menschliche Aspekt spielt natürlich eine große Rolle. Klar informieren sich viele im Internet, doch wenn ein Betroffener bei uns anruft und eine freundliche und vertrauenserweckende Stimme hört, ist das oftmals viel wichtiger. Da hilft es extrem, wenn sich Krebspatienten und ihre Angehörigen in dieser Ausnahmesituation mit ihren Problemen an jemanden wenden können. Manche wollen auch nur reden und sind froh, dass jemand zuhört.

Das Universitätsklinikum Erlangen hat ja bereits diverse Info-Angebote für Krebs-patienten und Angehörige. Was ist der Unterschied zum neuen Bürgertelefon des BZKF?

Man muss das Bayerische Zentrum für Krebsforschung als eine bayernweite Initiative unseres Ministerpräsidenten Markus Söder verstehen, die das langfristige Ziel hat, allen Bürgern im Freistaat die bestmögliche Information, Diagnostik und Therapie zukommen zu lassen. Der Staatsregierung war es extrem wichtig, dass zunächst schnell ein Bürger-Telefon als Informationsquelle installiert wird. Wichtig ist, dass wir mit allen sechs universitären Standorten im Bereich der Onkologie sehr gut vernetzt sind.

Wie kam es dazu, dass die Geschäftsstelle des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung in Erlangen angesiedelt wurde?

Die Idee, ein solches Krebszentrum zu gründen, ging von uns in Erlangen aus. Wir sind schon vor mehreren Jahren an das Wissenschaftsministerium mit der Bitte herangetreten, die Krebsforschung in Bayern zu verbessern. Wir wollten zunächst ein nordbayerisches Zentrum gründen mit den Uni-Kliniken Würzburg und Regensburg, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten. Nachdem wir Ministerpräsident Söder grundsätzlich von unserer Idee überzeugen konnten, war eine Voraussetzung, dass alle dabei sind, also auch die zwei Standorte in München und die Uni-Klinik in Augsburg.

Die ersten Monate seit Einrichtung des BZKF-Bürger-Telefons sind vorüber. Wie war bisher die Resonanz?

Die Resonanz war bereits in den ersten Wochen sehr gut. Wir haben auch viele Anrufe aus dem Münchner Raum erhalten. Der Bedarf ist da — die Betroffenen müssen nur wissen, dass es uns gibt. Wir sind für die neue Aufgabe auch personell gut aufgestellt, so dass wir wirklich jeden Anrufer hochprofessionell beraten und betreuen können. Auch Kollegen, die Fragen haben, können anrufen.

Die Hotline "Bayern gegen Krebs" ist unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 85 100 80 geschaltet. Weitere Informationen finden Sie hier www.bzkf.de