Flaute droht: Wenn die Sternsinger gar nicht klingeln

2.1.2020, 09:56 Uhr

In den Reihen der vielen Mädchen und Jungen, die als Heilige Drei Könige verkleidet in den kommenden Tagen wieder vieltausendfach durch die Straßen ziehen, steht die kirchliche Welt tatsächlich etwas Kopf. Und nicht einmal die konservativsten der Kirchenführer im Vatikan nehmen daran Anstoß.

Mittlerweile immaterielles Kulturerbe

Die alljährliche Aktion hat sich in den 60 Jahren ihres Bestehens zur weltweit wohl größten Solidaritätsaktion von Kindern und Jugendlichen für Kinder entwickelt. Es ist nach innen und außen ein ziemlich grenzenloses Unterfangen.

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Seit 1959 trägt das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" mit Hauptsitz in Aachen, zusammen mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) dieses Engagement für Gerechtigkeit und Frieden. Vor vier Jahren würdigte die Unesco die lange Tradition mit der Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Das Dreikönigssingen ist ein Phänomen, das der Realität mit nachlassender Bindung an die Kirche und hohen Austrittszahlen in gewisser Weise ein Schnippchen schlägt.

In ganz Deutschland konnte die jugendliche Sternsingergemeinde zuletzt ein Rekordspendenergebnis von über 50 Millionen Euro verzeichnen. Insgesamt ist bisher etwa eine Milliarde Euro zusammengekommen. Und sogar die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die sich beteiligten, sei mit rund 300.000 über die Jahre konstant geblieben, sagt Robert Baumann, Sprecher "Der Sternsinger". Solche Erfolge sind in der katholischen Kirche hierzulande beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr. Sie sprechen für eine weithin anerkannte Sinnhaftigkeit dieser kirchlichen Jugendarbeit.

Baumann kennt durchaus örtliche Schwierigkeiten, genügend Sternsinger zu mobilisieren. "Die Anstrengungen tragen von Pfarrei zu Pfarrei unterschiedlich reiche Frucht." Einige müssten die Werbetrommel stärker rühren als andere, damit sich genügend verkleidete kleine Könige im Alter ab etwa sieben Jahren auf den Weg machen. Ein bekanntes Sternsingerlied gibt es sogar schon als Rap. Das verspricht zusätzliche Werbeeffekte. Aber von einem generellen Einbruch der Teilnehmerzahlen kann keine Rede sein.

Einen Rückgang verspürt allerdings zum Beispiel Maria Renner, die als Mitglied der Kolpingjugend Hersbruck die Sternsinger-Aktion mit organisiert. Die Motivation lasse schon nach, in dieser rauen Jahreszeit mehrere Stunden draußen umherzuziehen. Wenn es Lücken gebe, würden auch mal Erwachsene einspringen. Das habe den Organisatoren einen Shitstorm in sozialen Netzwerken eingebracht. Sie seien Betrüger. "Traurig" nennt das Renner.

Oft fehlt der Sternträger

Im Oberen Pegnitztal könnten auch nicht alle Ortschaften komplett abgedeckt werden, so die erfahrene Organisatorin Bianca Weigl, die sich für die Pfarrei Hartenstein um das Sammeln kümmert. Um Kräfte zu sparen, "lassen wir jeweils den Sternträger weg", der die Gruppen mit den drei Königen ansonsten oft begleitet.

Einen Schlüssel zum Erfolg sieht Weigl beim Einsatz der Eltern für die Hilfsaktion, aber auch beim Eifer der Geistlichkeit. Die müsse mehr auf die Menschen zugehen. "Allein Zettel in der Schule auszulegen, das reicht da nicht."

In den katholischen Pfarreien des Landkreises Neumarkt werden manche Gebiete mangels Königinnen und Königen nur noch alle zwei Jahre von Caspar, Melchior und Balthasar besucht. Wer dieses Mal nicht dran ist, kann sich immerhin noch einen Segens-Aufkleber im Pfarrbüro als dürftigen Ersatz für königlichen Auftritt vor der Haustür abholen. Andererseits gebe es Jugendliche, die schon zum sechsten oder siebten Mal mitmachen, berichtet der Neumarkter Dekanatsjugendreferent Christian Schrödl.

Clemens Mennicke, Jugendpfarrer im Bistum Eichstätt, war in jungen Jahren selbst mit unterwegs. Er weiß also genau, wovon er spricht, wenn von Sternsingern die Rede ist. Seiner Erfahrung nach sind die frommen Trupps mit ihren Gedichten und Liedern vor allem als Segensbringer und Friedensboten willkommen. Erst danach komme die Geldspende für das jeweilige Hilfsprojekt.

Viele Ministranten wüchsen, so Mennicke, in die Aufgabe als Sternsinger sozusagen auf natürliche Weise hinein. Andere begeistert aktive Sternsinger zögen etwa Klassenkameraden mit zur guten Tat. Sie erlebten das als gemeinschaftstiftendes Erlebnis.

Die örtlich immer wieder mal schwankenden Teilnehmerzahlen sind für Diakon Roland Huppmann aus Bayreuth nicht weiter besorgniserregend. Die Pfarreien dort gehören zum Erzbistum Bamberg: "Im Großen und Ganzen bleiben die gleich." Es gebe je nach Siedlungsgebiet Fluktuationen. Wo junge Familien zuziehen, sei das Sternsinger-Potenzial naturgemäß größer als etwa in Dörfern mit einem hohen Anteil an älteren Menschen. Nur in Einzelfällen bekommen die verkleideten Jungen und Mädchen ein frustrierendes "Was wollt ihr denn hier?" zu hören, wenn sie an den Haustüren erscheinen.

Saunagang für Spende unterbrochen

Weitverbreitet ist diese Unkenntnis über das Wesen dieser Tradition glücklicherweise nicht. In aller Regel werden die Sternsinger willkommen geheißen und unterstützt.

Im Raum Hersbruck etwa hat, so berichten Organisatoren, ein großherziger Sternsinger-Fan schon beachtlichen Einfallsreichtum bewiesen, um den Kindern seine großherzige Spende zukommen zu lassen. Er genoss nämlich gerade einen erholsamen Aufguss in der heimischen Sauna, als die just in diesem Moment mit ihrem Segenswunsch und ihrem vorgetragenen Verslein vor dem Haus auftauchten.

Er wollte den jungen Weisen aus dem Morgenland nicht im Bademantel gegenübertreten, wickelte seine Spende deshalb in Papier und warf sie durch ein Fenster zu den kleinen Drei Heiligen Königen hinunter. Auch eine so leidenschaftliche Geberfreude erlebt die katholische Kirche sonst nicht mehr so oft.