Bäckerei Müller: Eine Institution für Krapfen und Hörnchen

3.2.2021, 10:09 Uhr

Hier kommen sie zu Wort.

Maria Sitzmann (72) aus Kirchehrenbach:

Nach ihrer Ausbildung zur Bäckerei- und Konditorei-Fachverkäuferin im Café Lieb (Hauptstraße 17) kam Maria Sitzmann im Dezember 1967 zu den Müllers. Damals verschafften die Eltern einem noch die Arbeitsstellen. Sie blieb bis zur Geschäftsaufgabe am Gründonnerstag 1990 dort und sagt: "Ich wäre heute noch drin, wenn es Bäckerei und Café noch gäbe." Die Kunden kannten "die Maria" als Verkäuferin im Laden und als Bedienung in dem kleinen Café im Erdgeschoss. Sie gehörte mit Lucie Rossa, Gunda Schreyer oder Hildegund Götz zu den zeitweise bis zu acht Frauen, die an der Seite von Juniorchefin Renate Müller das Gebäck unter die Leute brachten. "Hinter der Theke war es so schmal, wir mussten aneinander vorbeihüpfen", erinnert sie sich. Unter den vielen Stammkunden waren auch südeuropäische Gastarbeiter aus Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei, die für das helle Mischbrot und das Weißbrot schwärmten. Andere lobten den Zitronenkuchen, der meterweise die Backstube verließ.

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Wie warme Semmeln gingen die Mohnzöpfchen, das Anisbrot oder die Mürbteig-Apfeltaschen über den Tresen. "Es gab sogar belegte Brötchen mit Fleischsalat, damals noch ohne Kühltheke." Die soziale Ader des Ehepaars Müller, das seine Angestellten stets siezte, ist Maria Sitzmann noch heute in Erinnerung: "Es gab immer wieder zehn Mark extra auf die Hand und fürs Wochenende Kuchenpakete mit nach Hause." Zudem habe man morgens vor dem Schichtbeginn auch ein Frühstück bekommen. Seit 1992 arbeitet Maria Sitzmann bei der Bäckerei Wirth in den Filialen Ebermannstadt und Kersbach. Ihr Fazit zu ihrer Müller-Ära: "Es war eine wunderbare Zeit. Ich bereue keine Minute."

Christian Jaklin (55) aus Forchheim:

Für den Gymnasiasten und seine Mitschüler Christine Körber, Andrea Körber und Michael Kohlmann war das Café Müller vor allem am Mittwochvormittag ein Rückzugsort. Während der Freistunden traf man sich in geselliger Runde: "Unser Aufenthaltsraum im Kollegstufen-Bau des Herder war in einen Musiksaal für die Ehrenbürg-Gymnasiasten umgewandelt worden." So lernte und erholte man sich im Café Müller bei Kaffee und selbstgedrehten Zigaretten. "Um 10 Uhr gab es dann ofenfrische Laugenbrezen. Die waren eine Sensation," erinnert sich Jaklin, dessen Mutter Elfriede aus der Konditorei Greif in der Forchheimer Eisenbahnstraße stammt.

Als der Schüler volljährig war, nutzte er die Chance, sich selbst vom Unterricht zu befreien. Mit den Freunden Stefan Müller (Sohn des Bäckermeisters Andreas Müller) und Winfried Kraus probierte die Clique auch einmal einen Martini: "Danach waren wir platt. Wir waren Alkohol ja nicht gewohnt." Die Preise im Café Müller waren für die Jugendlichen moderat. Mehr als einmal verhinderte "die Margit" durch Vorsprache bei Chefin Renate Müller eine Erhöhung. Nicht nur dafür setzte Jaklin ihr in der Abitur-Zeitung des Jahrgangs 1984 ein literarisches Denkmal. Durch das Studium in Nürnberg blieben ihm nur noch die Semesterferien für einen Nostalgie-Besuch: "Da saß dann schon die nächste Generation."

Margit Postler (68) aus Forchheim:

Obwohl sie schon anno 1970 zur Bäckerei Müller gekommen war, schlug ihre große Stunde ab 1975 im Café im Obergeschoss: Dort, jenseits der Wendeltreppe, bediente Margit Postler 15 Jahre lang an den zehn Tischen, die Platz für etwa 40 Gäste boten. "Hier saßen Mitarbeiter des Landrats- und des Finanzamts, Bankleute von gegenüber und Schüler beider Gymnasien und der Landwirtschaftsschule". Neben Kaffee und Kuchen gab es für die Gäste auch Snacks und Suppen. Nur nicht am Wochenende – da war das Café geschlossen.

1980 wurde hier sogar eine Szene des ersten Abi-Filmes gedreht. Im Mittelpunkt natürlich das Café Müller und "die Margit". Ihre kommunikative Ader hatte sie schon zuvor: Da lernte sie in einer der drei Geschäfte des Lebensmittelhändlers Hollfelder in der Äußeren Nürnberger Straße. Heute befindet sich dort die Pizzeria Mille Lire. "Ihre" Schüler kannte sie alle: "Ein Vater meinte sogar, ich wüsste mehr über seine Tochter als er selbst." Ein Jugendlicher brachte ihr einmal aus Dankbarkeit einen gebackenen Karpfen zum Feierabend mit: "Dessen Vater hatte eine Gastwirtschaft."

Ende der 1980er Jahre gab es sogar eine "Müller-Klausur", einen nicht ganz ernst gemeinten schriftlichen Test, bei dem die Teilnehmer Sachpreise gewinnen konnten. Bei der Abschlussfeier des Abiturjahrgangs 1989 in der Jahn-Halle war die "Mutter der Kompanie" Ehrengast. Margit Postlers Resümee: "Ich bin im Café wirklich aufgegangen. Das war eine schöne Zeit."

Thomas Beetz (59) aus Forchheim:

Der 15-jährige Bäcker-Lehrling konnte zu Fuß aus der Schönbornstraße in die Nürnberger Straße zur Arbeit laufen. Drei Jahre hatte er wie auch sein Kollege Jürgen Panzer aus Seigendorf in Andreas Müller einen strengen Lehrmeister: "Von ihm konnte man aber auch viel lernen." Etwa, wie man die einzigartigen Faschingskrapfen herstellt: "Die wurden nicht gestochen. Die Marmelade kam schon vor dem Backen zwischen zwei Teighälften."

Damals sei der Müller zusammen mit dem Bäcker Lieb in Sachen moderne Maschinen vorne gelegen in Forchheim. So gab es etwa "eine Mehlmaschine, damit man die 50 Kilo-Säcke nicht herbeischleppen musste". Außerdem wurden die Backbleche nicht von Hand gereinigt. Im Gegenzug hatten Werner Schäfer, Hermann Kotz oder Konrad Böhm alle Hände voll zu tun, Brotteig zu "würgen", Salzstangen zu rollen oder die legendären Butterhörnchen zu formen.

Nach seiner Lehrzeit zog es Beetz nicht mehr zum Brotbacken: "So ein Beruf ist ein Beziehungs-Kaputtmacher." Die Arbeitszeiten von zwei Uhr früh am Morgen, freitags schon ab 22 Uhr, verhinderten aus seiner Sicht jegliches Privatleben. Und verdient habe man damals auch nichts: Sein Fazit: "Für diesen Beruf muss man geboren sein."

Brigitte Wagner (68) aus Buckenhofen:

Sie hat bei Müllers ihre Ausbildung zur Bäckerei-Fachverkäuferin gemacht und danach bis 1981 überall dort mit angepackt, wo sie gebraucht wurde. Brigitte Wagner brachte das Gebäck zu den Kunden und packte auch in der Backstube mit an. Zu Silvester waren Mengen von Punschstangen herzustellen und während der Faschingszeit bogen sich die Regale unter den Krapfen mit Hiffenmark. "Samstags standen die Leute manchmal bis hinaus auf die Straße an." Das Betriebsklima sei ganz ausgezeichnet gewesen, erinnert sich Wagner in ihrem Rückblick.