Halb-Profis revoltieren gegen Tennis-Reform

24.2.2019, 16:41 Uhr

Weltweit tummelten sich bisher über 10.000 professionelle und semiprofessionelle Tenniscracks in einem Kosmos aus zahlreichen unterklassigen Turnieren, um die eigene Kasse aufzubessern oder Ranglistenpunkte zu sammeln. Für die Protagonisten galt es, im Jahreskalender zwischen Trainingsplänen und finanziell lukrativen Sonder-Einsätzen wie in der deutschen Bundesliga eine Balance von Aufwand und Ertrag zu finden. Mit vergleichbar kurzer Anreise lockten zu Jahresbeginn gerade auf dem europäischen Markt spezialisierte Veranstalter in berüchtigten Hotel-Hochburgen Spaniens oder der Türkei, die gleich mehrfache Serien hintereinander auslobten.

Top-100 immer älter

So bunt wie die Angebotspalette präsentierten sich die Charaktere in den Starter-Feldern vom hochkarätigen Nachwuchstalent über ambitionierte Spätzünder und Studenten bis zum abenteuerlustigen Lebenskünstler. Die Eintrittskarte in die etablierte Szene der Top 100 indes lösten die Akteure immer später.

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Seit Januar 2019 soll jedoch einiges anders werden. Die Macher des internationalen Verbandes ITF, die erst vor wenigen Monaten mit einer Neugestaltung des Davis Cup harsche Kritik ernteten, hatten schon 2017 eine Reform angestoßen. Beschlossen wurde dann ein Maßnahmenbündel, dass das manchmal undurchschaubare Übergangs-Becken zwischen Junioren- und Profitennis durchlässiger und effizienter machen sollte. Ganz offen zielt die Vereinbarung darauf ab, die Zahl der professionellen Spieler auf je 750 Frauen und Männer zu reduzieren und dieser Elite im Gegenzug ein angemessenes Auskommen zu erleichtern.

In der Praxis wurden unter anderem die Qualifikationsfelder drastisch verkleinert, vermeintlich auch zum finanziellen wie zeitlichen Vorteil von Aktiven und Turnierveranstaltern, die zügig zum nächsten Programmpunkt übergehen können. Mit der Verknappung sollen gleichzeitig kriminelle Machenschaften wie der Verkauf von Start-Plätzen und Wetten eingedämmt werden, ein höheres sportliches Niveau die Attraktivität für Sponsoren steigern und darüber wieder neue Veranstaltungen generieren. Zudem werden die Weltranglistenpunkte restriktiver ausgeschüttet als bisher. Für die Konkurrenzen müssen mindestens 25.000 Dollar an Preisgeldern ausgelobt sein. In den darunter angesiedelten Kategorien und denen der Jugend können ausschließlich ITF-Punkte gesammelt werden, die wiederum als Ausgangsbasis für Start- und Qualifikationsberechtigung auf höherer Ebene von ATP und WTA dienen.

Nun wurden in kurzer Zeit etliche Stimmen gegen die "Transition Tour", so der erste Arbeitstitel, laut. Von "Jobvernichtungsmaschine" schreibt die Österreicherin Kerstin Peckl in einem Blog-Beitrag, zählt Hoteliers, Akademien und Ausrüster ebenso zu den Verlierern eines erzwungenen Schrumpf-Prozesses. Peckl verweist auf eine Online-Petition der kanadischen Spielerin Maria Patrascu, die eben einen Rückgang der Turniere und Verdienstmöglichkeiten beklagt und bisher rund 13.000 Unterschriften gesammelt hat.

Zuspruch für den Widerstand kommt auch aus Franken. "Ja, das vorherige System hat Macken, für den Durchbruch braucht es Konstanz über längere Zeit", sagt der Weilersbacher Matthias Wunner, nur führen die Neuerungen aus seiner Sicht in die falsche Richtung. "Das Raster sortiert schneller aus und erhöht den Ergebnisdruck für den Nachwuchs. Wer sich verletzt oder in den USA am College spielt, verpasst ohne die nötigen Ranglistenpunkte den Anschluss. Die spielerische Entwicklung gerät komplett in den Hintergrund."

Nur 3500 Euro für Eckental-Sieg

Während Wunner über mehr als fünf Jahre im Durchschnitt bei zwei Turnieren pro Monat um den nächsten Karriereschritt kämpfte, ist für die künftige Generation mehr Eile geboten. "Unter dem Strich geht es leider hauptsächlich um Geld, das dann am Ende wie üblich in die Grand-Slams gesteckt wird", so Wunner.

Über den privaten Finanzierungs-Spagat weiß der renommierte Altdorfer Coach Lars Haack, der aktuell den mittelfränkischen U16-Meister Laurenz Grabia betreut, ein Lied zu singen. "120.000 Dollar", nennt er als Richt-Wert für eine Saison. "Unter den veränderten Bedingungen wird es natürlich deutlich schwerer, diesen Betrag zu verdienen." Denn selbst von einem Sieg beim traditionsreichen Challenger-Turnier in Eckental blieben nach Abzug von Steuern gerade einmal 3500 Euro übrig. Haack hält es für "gut möglich", dass die Zahl der Profis in absehbarer Zeit "deutlich" abnimmt.

Auf NN-Anfrage bezieht der Deutsche Tennis Bund durch Sportdirektor Klaus Eberhard Stellung: "Der DTB hat im Diskussionsprozess klar Position gegen die geplanten Änderungen bezogen. Aus unserer Sicht erschließen sich die Vorteile der Maßnahmen nicht, im Gegenteil, es ist Verwirrung entstanden." Wiewohl Eberhard ankündigt, bei den 15 bis 18 unmittelbar betroffenen Turnieren in Deutschland "das beste draus zu machen", wolle er sich in den entsprechenden Gremien für ein modifiziertes Modell einsetzen. "Ich bin überzeugt, dass nachgebessert wird."