Freie Wähler: Politische Agenda und die Ziele der Partei

24.10.2018, 05:53 Uhr

Der Niederbayer Hubert Aiwanger dominiert die Freien Wähler. Nach dem Erfolg in Bayern sieht er seine Partei bereits für den Bundestagswahlkampf gerüstet. Doch solche Ambitionen teilen nicht alle seine Parteifreunde. © Alexander Heinl/dpa

Armin Grein war Lehrer, Landrat und Bundesvorsitzender der Freien Wähler. Noch einmal hebt der 79-Jährige mahnend den Finger: "Wer mit der CSU ins Bett geht, der riskiert, dass er darin umkommt." So spricht der Ehrenvorsitzende der Freien Wähler (FW) über die Koalition seiner Partei in Bayern. Und er ist nicht allein mit seinen Befürchtungen.

Treuchtlingens dritter Bürgermeister und FW-Sprecher Klaus Fackler hält das landespolitische Engagement der Freien Wähler für falsch. Seine Meinung teilen einige: Mit dem Bündnis mit der CSU werde es "zur Lagerbildung kommen, und damit haben die Freien Wähler endgültig ihre Unabhängigkeit verloren".

Dies wird nach Facklers Ansicht "auch auf die kommunale Ebene durchschlagen, denn damit sind die Freien Wähler nicht mehr für alle Bürger wählbar, weil sie nun einem politischen Lager zugeordnet werden". Für problematisch hält Fackler insbesondere, dass die Freien Wähler nun – in Abgrenzung zu den Grünen – bereits vielfach als Teil des konservativen Lagers gehandelt würden.

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"Wir sind sehr breit aufgestellt", so der Treuchtlinger Fraktionschef. "Es gibt Kreisverbände, die sehr konservativ bis rechts sind, aber auch andere, die eher links ticken oder aus der gewerkschaftlichen Ecke kommen." Gerade in Treuchtlingen seien die Freien Wähler "eher ein bürgerlicher Ersatz für die im Stadtrat nicht vertretenen Grünen" – und damit alles andere als der natürliche Koalitionspartner der CSU.

Keine richtige Partei

Tatsächlich ist die Heimat der Freien Wähler nicht die Landespolitik, sondern die Kommunalpolitik. Zwölf der 71 bayerischen Landräte kommen aus ihren Reihen, etwa 600 Bürgermeister zählt der Landesverband bayernweit. Aber genaue Statistiken fehlen. Warum? "Wir sind eigentlich keine richtige Partei", heißt es beim Landesverband. Manche Ortsverbände erheben noch nicht einmal Beiträge, also ist es schwierig, sich auf Kreis- oder gar Landesebene zu organisieren. Immerhin: 870 Orts- und Kreisverbände zählen die Freien Wähler im Freistaat.

Armin Grein aus Marktheidenfeld (Kreis Main-Spessart) war der Motor dieses Zusammenschlusses von Bürgerinitiativen, die den Weg in die Kommunalparlamente gefunden hatten. 1978 wurde der "Landesverband Bayern der freien und unabhängigen Wählergemeinschaften e.V. (FW Landesverband Bayern)" als Dachverband der parteiunabhängigen Wählervereinigungen gegründet. 2006 übernahm Hubert Aiwanger (47) den Landesvorsitz und zeigte sich ambitioniert. 2008 zogen die Freien Wähler erstmals in den Landtag ein.

Zentrale Figur

Bei den Vorstandswahlen des Bundesverbandes 2010 wurde Aiwanger zum Bundesvorsitzenden der Freien Wähler gewählt. Dabei ging es um die Teilnahme an der Europawahl 2014; seither sitzt Ulrike Müller aus dem Oberallgäu für die FW im Europaparlament. Doch die zentrale Figur der Freien Wähler ist Hubert Aiwanger, studierter Landwirt und früher Ferkelzüchter, liiert mit der Regensburger Landrätin Tanja Schweiger (FW), mit der er zwei Söhne hat. Aiwanger wird wohl stellvertretender Ministerpräsident.

Aber längst ist ihm Bayern zu klein. Sollte die Große Koalition in Berlin vorzeitig scheitern, könnte seine Partei die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, zeigte sich Aiwanger optimistisch. "Wenn wir genügend Zeit hätten für einen guten Wahlkampf, könnte uns das in den Bundestag tragen." Bei der letzten Bundestagwahl im September 2017 kamen die Freien Wähler – wie schon 2013 – auf 1,0 Prozent.

Der nächste Erfolg?

Zunächst sei es aber das Ziel, am Sonntag auch in Hessen in den Landtag einzuziehen, sagt Aiwanger. Allerdings stehen dort die Chancen weniger gut als in Bayern.

Landespolitisch hat Aiwanger längst mit der CSU gleichgezogen. Beim Umgang mit Flüchtlingen vertritt er mit Sach- statt Geldleistungen ähnliche Positionen wie die Christsozialen, er ist gegen den Familiennachzug; bei der Sicherheitspolitik dürfte es ebenfalls kaum Unterschiede geben.

Die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge hatte er vor der CSU formuliert. Immerhin hat er den Freien Wählern mit der Forderung nach Abschaffung der Gebühren für Kitas und beim Straßenausbau einiges Profil verschafft. Wenngleich Armin Grein bei der Kooperation mit der CSU warnend den Finger hebt, auf Aiwanger zählt er. "Er fährt eine klare Linie, wie Söder."

Aber aufpassen müsse er schon bei der CSU, dass er da nicht untergeht. Sein Ratschlag an die Freien Wähler: "Wir waren nie so abgehoben wie CSU, SPD und FDP. Wir müssen weiterhin auf die Bürger hören."