Auftritt in Franken: Martin Schulz kämpft für Europa

26.4.2019, 19:47 Uhr

Es gab eine Zeit, da dachten nicht wenige, Martin Schulz werde der nächste Kanzler der Bundesrepublik. Als ihn die SPD Anfang 2017 zum Kandidaten kürte, schnellten die Umfragewerte der Partei in die Höhe. Die Medien schrieben vom "Schulz-Hype", vom "Schulz-Zug", der immer mehr an Fahrt gewann.

Irgendwo auf der Strecke ging das Tempo dann verloren, der wilde Ritt mündete für die SPD in ein historisch schlechtes Ergebnis. Schulz verlor erst die Wahl und einige Monate später den Parteivorsitz.

Wahlkampf der besonderen Art

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Dass der Schulz-Zug nun auf dem Abstellgleis stehe, lässt sich dennoch schwer behaupten. Der Bundestagsabgeordnete macht nämlich wieder Wahlkampf. Er tourt durch die Republik, um die Menschen für sein Herzensthema zu begeistern: Europa. Rund 80 Termine absolviert er bis zum Urnengang am 26. Mai.

Am Freitag führt ihn der Weg von Auftritten in Neustadt und Höchstadt nach Fürth in die FN-Redaktion. 20 Minuten bleiben fürs Gespräch. Erste Frage: Warum soll nach der krachenden Wahlniederlage 2017 ausgerechnet er der richtige Mann sein, um der SPD im Europa-Wahlkampf Auftrieb zu verleihen? "Ich bin ein erfahrener und engagierter Politiker geblieben", entgegnet Schulz trocken und erinnert an seine europäische Vergangenheit. 23 Jahre saß er als Abgeordneter im Parlament in Straßburg, von 2012 bis 2017 war er dessen Präsident.

Auf seiner Tour muss er erleben, dass Europa nicht nur in Großbritannien Skepsis entgegenschlägt. Es gebe einige, so Schulz, die die EU grundlegend ablehnen, viele seien aber nur mit den Zuständen in Europa unzufrieden. "Das bin ich auch", ergänzt er und sagt: "In Europa sitzen die Kapitalisten im Ferrari, und der Sozialstaat fährt mit dem Fahrrad hinterher." Schulz glaubt aber auch: "Die überwältigende Mehrheit der Menschen unterstützt die Idee einer europäischen Einigung."



Der Kontinent, stellt der 63-Jährige fest, stehe global in einem "unfairen Wettbewerb". Gegenspieler wie die USA oder China verzichten ihm zufolge auf ökologische oder soziale Standards wie Klimaschutz, Mindestlohn oder Streikrecht – und sparen damit Kosten. Dem könne man nur geeint entgegentreten. "Um unser Gesellschaftsmodell zu schützen, brauchen wir ein starkes Europa."

Schulz sieht die Welt in einem Epochenwandel, in dem es für Europa jetzt ums Ganze geht. "Darum, wie unsere Kinder und Kindeskinder einmal leben." Er hofft deshalb, dass die Menschen die Europawahl als Chance begreifen. Bleiben sie der Stimmabgabe fern, profitieren nur die Rechtspopulisten. "Die sind bis in die Haarspitzen motiviert, um zu zerstören."

Von der Fürther Freiheit weiter nach München

Als das Gespräch auf Fürth kommt, lockert sich die Stimmung. Schulz weiß Bescheid, nennt die erste deutsche Eisenbahn, Ex-Kanzler Ludwig Erhard und die Rivalität zum Nachbarn Nürnberg. Auch Fußball darf nicht fehlen. Der leidenschaftliche Fan des 1. FC Köln kennt nicht nur die Namen der Fürther Weltmeister Charly Mai und Ertl Erhard, sondern zählt ungefragt die komplette Startelf des Endspiels 1954 auf.

Sein Mitarbeiter zeigt auf die Uhr, der Wahlkampf geht weiter. Nach einem Abstecher auf die Fürther Freiheit – an der Basis genießt Schulz immer noch hohe Popularität – düst er nach München. Das Wochenende verbringt er daheim in Würselen. Am Montag geht es nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Anstrengend sei das, räumt er ein, stellt aber klar: "Ich habe immer noch Kraft, und so lange das so ist, kämpfe ich dafür, dass Europa nicht kaputtgeht."