Burgfarrnbacher Mütterstammtisch: Verbunden fürs Leben

23.9.2017, 21:00 Uhr

Der Mensch, der die Frauen zusammengebracht hat, verabschiedet sich gerade an der Tür. Mitte 30 ist Inge jetzt alt, sie wünscht ihrer Mutter einen schönen Abend. Auf deren Terrasse in Burgfarrnbach sitzen an diesem Sommertag schon die Gäste: etwa ein Dutzend Frauen, die Inge kennt, so lange sie denken kann.

Sie war ein Baby, ein paar Monate alt erst, als ihre Mutter dachte: Allein spazieren zu gehen, wenn es im Herbst früh dunkel wird, das ist doch nichts. "Ich hab’ angefangen, Mütter anzusprechen, die auch mit dem Kinderwagen unterwegs waren", erzählt Ursula Kreß. "Und die haben weitere Mütter angesprochen." Marion Neumann zum Beispiel, die oft im Schlosspark saß und stickte, während ihre Tochter im Wagen schlief.

Eine Mutter-und-Kind-Gruppe gab es noch nicht in der Pfarrgemeinde, also gründeten die Frauen eine. Sie bastelten, sangen, spielten mit der Kinderschar – und merkten irgendwann, dass sie kaum dazu kamen, sich richtig zu unterhalten. "Das war viel zu viel Geschrei", sagen sie augenzwinkernd. So entstand die Idee, mal abends in aller Ruhe Essen zu gehen. Und den Männern das Kinderhüten zu überlassen: "Das war schön, wir haben das genossen!" Die Männer machten ihre Sache gut. Und so folgten unerwartet viele solcher Abende.

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An jedem 1. Mittwoch im Monat treffen sie sich seitdem. Anfangs blieben sie noch in Burgfarrnbach, um schnell zuhause sein zu können, sollte etwas sein. Heute verabreden sie sich in immer neuen Lokalen. Weil die meisten in Burgfarrnbach zuhause sind, beginnt das Wiedersehen schon auf dem Weg dorthin: im Bus.

Aus den Kleinkindern wurden Schulkinder mit Geschwisterchen, Teenager mit Liebeskummer, Studenten und Auszubildende, irgendwann junge Familien. Der Gesprächsstoff ging den Müttern nie aus, er wuchs mit. Kinder und Beruf, das war eine Doppelbelastung, "es tat gut, da abends rauszukommen", sagt Ursula Kreß. Man konnte über Probleme sprechen – aber auch lachen, sich aufziehen, Unbeschwertheit erleben.

Über 20 Frauen waren es anfangs. Die Gruppe schrumpfte über die Jahre und wurde wieder größer, man fand sich wieder. Sie sprechen nun auch über die ersten Zipperlein und die ersten Enkelkinder. Über Eltern, die pflegebedürftig geworden sind. Und geben einander Halt, wenn Ehepartner aus dem Leben gerissen werden.

"Als mein Mann gestorben ist, hat mich das schon sehr aufgefangen", erzählt Heidi Reinbrecht. "Es wäre sonst wesentlich schwieriger gewesen." Eine andere sagt: "Ich glaube, wenn eine von uns in einer Notlage ist, könnte sie jede anrufen." Zwischen 57 und 75 Jahre alt sind die Frauen inzwischen, die an diesem lauen Sommerabend ausnahmsweise nicht in einem Lokal, sondern um einen Tisch auf Ursula Kreß’ Terrasse sitzen. Zwei von ihnen haben Fischsuppe zubereitet. Und bekommen ein dickes Lob.

Etliche von ihnen sind nicht in Burgfarrnbach aufgewachsen, sondern als junge Frauen hingezogen. Sie kommen aus Nürnberg, Bamberg, Hildesheim, der Oberpfalz, dem Allgäu, Ostfriesland und Berlin. Sie gehören einer Generation an, sagt Ursula Kreß, "bei der die Männer zwar schon mitgemacht haben, aber noch nicht so wie heute". Die Stammtischabende waren eine kleine Auszeit.

Einige der Väter hatten sogar ebenfalls einen Stammtisch ins Leben gerufen. Er schlief wieder ein. Die Frauenrunde dagegen feiert auch Geburtstage miteinander und sieht sich einmal im Jahr eine Stadt an. Und auch manche der Kinder wurden Freunde. Neumanns Tochter etwa hat in der Mutter-Kind-Gruppe ihre beste Freundin kennengelernt. Gegenseitig machten sie sich zur Trauzeugin und Patin für den Nachwuchs. Im Haus von Ursula Kreß schlummert an dem Abend unterdessen schon ein Enkelkind.