Der Freiherr und die Dings

1.3.2011, 11:00 Uhr

Stattdessen treten in der Großen Halle des Kulturforums Menschen im Hühnergewand auf und singen von ihrem harten Leben als dioxingefütterte Legehennen, klangvoll zu Totos Hit „Rosanna“. Sie tanzen als Gene in ausgefeiltem Ballett-Stil. Überhaupt sind Choreografie und Musik heuer erstklassig, 2011 steht solides künstlerisches Handwerkszeug im Blickpunkt. Regisseurin und Autorin Ute Weiherer vertraut dabei ihrem starken Ensemble und tut gut daran.

Die Chefin hat sämtliche Aufreger-Themen der vergangenen Monate im Programm. Weder die heiße Klimagipfel-Luft von Cancun noch die bestürzenden Zustände auf dem Schulschiff Gorch Fock fehlen. In einer Nummer taumeln reihenweise Kadetten aufs Deck, was den beliebten Minister mit Haargel, aber ohne Doktortitel nicht anficht. Prompt ist der fränkische Freiherr ins kabarettistische Schussfeld geraten. Ebenso prompt durfte Fürths ehemaliger Kulturreferent Karl Scharinger im Premierenpublikum als Beispiel für eine ordnungsgemäße Dissertation herhalten. Daraufhin erklang Status Quos „In the army now“ mit dem neuen Text „Sagt der Guttenberg“, eine bissige Persiflage auf den Medienkrieg, den Karl-Theodor, Gattin Stephanie und TV-Nervensäge Johannes B. Kerner am Hindukusch entfachten. 

Die Bundeswehr, traditionell ein Lieblingsfeind der Dullnraamer, der alljährlich zuverlässig sein Fett abbekommt, wurde diesmal jedoch nicht als wüst um sich schießende Gurkentruppe dargestellt, sondern als Kanonenfutter, das gnadenlos verheizt wird. Die „Gemüsecombo“, das war heuer die Regierung, hatten die schwarz-gelben Lenker des Landes sich doch gegenseitig als Wildsau und Gurkentruppe beschimpft. Angesichts solchen Verhaltens bleibt den Dullnraamern wahrlich nichts anderes übrig, als das Merkel-Team just in dem chaotischen Zustand zu zeigen, in dem es sich derzeit präsentiert: In gelungenen Parodien treten ein kreischender Westerwelle, ein Seehofer in der Papiertonne, der von Merkel ständig zurück nach Bayern geschickt wird, und eine gestrenge Kanzlerin auf.

Nichts auf dem Tisch

Werbung
Werbung

Noch besser aber gelingt jene Nummer, die die Opposition ins Kasperle-Theater verbannt, heulende Claudia Roth, polternde Renate Künast und schimpfender Frank-Walter Steinmeier inklusive. Die zähe Hartz-IV-ein-Euro-hin-oder-her-Debatte wird in dem Lied „Nichts auf dem Tisch“ (zu „Under the bridge“ von den Red Hot Chili Peppers) aufgespießt, dem tiefgründigsten Song des Abends.

Der stärkste Part aber gehört den Frauen. Zwar liest Ute Weiherer alljährlich den Männern die feministisch eingepackten Leviten, oft schien dies aber lediglich eine Pflichtübung zu sein. 2011 ist dank ihrer Wut auf Familienministerin Christina Schröder richtig Pfeffer dahinter, und so geraten der Song „Die Dings“ und die zugehörige Szene mit Rike Weiherer in der Hauptrolle zur Kür. Selten ist so Treffendes über die neuen „Alpha-Mädchen“ gesagt worden, die gerne mit Alice Schwarzer streiten und ansonsten meinen, Frauen ohne Erfolg könnten sich nur schlecht verkaufen.

Ein Highlight auch Ute Weiherers Auftritt als Päpstin — schließlich hatte die katholische Kirche im vergangenen Jahr einige Fettnäpfe mit Karacho betreten. So ein Oberhaupt wie die Dullnraamer-Chefin aber könnte etliche Abtrünnige womöglich zum Wiedereintritt bewegen. Flankiert von Ehemann Uwe Weiherer, entspinnt sich ein irrer Dialog. Der Sympathieträger sorgt wie gewohnt für Stimmung, moderiert flott und singt powervoll, hält sich aber insgesamt in der Show eher zurück. So kommt manch ein Ensemble-Mitglied, das sonst ein wenig am Rande steht, zu tollen Auftritten.

Zum Prinzenpaar, der nervigsten Erscheinung der vergangenen Monate, wurden die Fernsehköche in ihrer Gesamtheit gekürt, frei nach dem Motto: „Kochduell macht blöd, alles Mampf-Krampf“. Im Hintergrund tanzen zwölf einheitlich gekleidete Lenas, für jeden Monat eine.

Fazit: Tolles Team, starke Band, gute Stimmung, nicht über die Maßen bitterböse, sondern voller Schwung.

Dullnraamer-Sidzung 2011: Weitere Termine am 4. und 5. März, jeweils 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2). Tickets bei allen bekannten Vorverkaufsstellen zu 21,50 Euro, an der Abendkasse 22 Euro.