Der Weltwurm
25.9.2012, 09:56 UhrHeute ist Tobias Falberg an der Reihe. Geboren 1976, lebt und arbeitet er im Raum Nürnberg. Zuletzt wurde ihm der international ausgeschriebene Feldkircher Lyrikpreis 2011 zugesprochen. Nun ist in der Edition Art Science, Wien/St. Wolfgang, sein Gedichtband „Plastiniertes Gelände“ erschienen. Morgen gastiert Falberg zusammen mit dem ebenfalls vielfach ausgezeichneten Dichter Christian Schloyer ab 20 Uhr in der Galerie Bernsteinzimmer, Großweidenmühlstraße 11 in Nürnberg. Unter dem Motto „Panikblüten im plastinierten Gelände“ wird es, moderiert von Elmar Tannert, neben Gedichten ein irr-witziges Live-Manifest („Wie man gefälligst mit Gegenwartslyrik umzugehen hat“), Mitmach-Aktionen, eine neunjährige Gitarrenspielerin und Interview-Einsprengsel geben. Eintritt: sechs Euro.
Sieh den Weltwurm, er wühlt rastlos im Schutt, zerreibt
mit metallischer Stirn Fels und Gebirge, treibt
die zylindrischen Glieder
tief hinein ins Naturgebiet,
durch verkabeltes Land. Glasfasergras versprüht
Lichtimpulse, den Schein blinkender Halme. Saat,
mit dem Mittag verschmolzen,
sendet Spektren zum Äther hoch
in das spleißende Blau. Unten zersprengt der Wurm
Feld und Wurzeln. Der Wald flackert und knirscht, er hält
die Legierung der Tiere
auf den Fliesen der Lichtung fest,
wenn der Boden sich hebt über dem Bohrkopf, den
Weltzylindern: Es sind Spulen und Speicher, sind
Lebensdaten, Profile
eingespeist, die Erinnerung
an ein früheres Sein. Siedlungen pflügt der Wurm,
höhlt den Untergrund aus, bricht durch die Heere von
dürren Menschenkristallen,
schillernd unter der Luft verdreht,
spröde. Stückweis zerspringt dieses Kristall, zerfällt
rot und bräunlich und grau in Mosaike, bis
Bodentrichter sich öffnen,
einsinkt, was davon übrig bleibt.